Weghören, ablehnen, aussitzen

Die SPD zieht eine positive Bilanz: Seit einem Jahr sitzen Abgeordnete von NPD und „Republikanern“ in fünf Bezirksversammlungen – und werden ignoriert. Das alleine ist eine falsche Strategie, sagt Parteiexperte Eckhard Jesse

Ohren zu und durch: Das ist die Strategie der gemäßigten Parteien gegen politischen Einfluss von NPD und Co. auf die Bezirksparlamente. Eine erfolgreiche Strategie, sagt die Berliner SPD. Am Montag zogen fünf Fraktionsvorsitzende Bilanz, ein Jahr nachdem in deren Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) „Nationaldemokraten“ (NPD) und „Republikaner“ eingezogen sind. Doch die etablierten Parteien agierten so geschlossen, die rechtsextremen dagegen so ungeschickt aufgetreten, dass Oliver Igel, Fraktionschef der SPD von Treptow-Köpenick, „recht zufrieden auf das Jahr zurückblicken“ kann.

Am 26. Oktober 2006 sah das noch anders aus. Der Schock über den Wahlerfolg der rechten Parteien saß damals tief, als die NPD in Lichtenberg, Neukölln, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf – in letzterem Bezirk holte sie mit 6,4 Prozent ihr bestes Ergebnis – in die Bezirksparlamente einzog. In Pankow trat die NPD nicht an und ließ den Republikanern den Vortritt. Die schafften dort den Sprung in die BVV mit 3,1 Prozent der Stimmen und einem Abgeordneten. Genau einen Antrag habe der seitdem gestellt, nämlich „die Europa-Fahne im Sitzungssaal zugunsten der deutschen und der Berliner Fahne abzuhängen“, sagt Klaus Mindrup, Fraktionsvorsitzender des Bezirks. Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt.

Die Absprachen zwischen den Parteien, ob im Regierungsbündnis, in Zählgemeinschaften oder in der Opposition, funktionierten „hervorragend“, so Jürgen Koglin, Chef der SPD im Neuköllner Parlament. So habe man sich darauf geeinigt, dass stets ein Abgeordneter stellvertretend für alle anderen Parteivertreter auf Anfragen der NPD antwortet. Selbstverständlich ablehnend. In Neukölln wie in den anderen vier betroffenen Bezirken auch, hätten die rechtsextremen Parteien kein einziges politisches Vorhaben umsetzen können.

Das liege in erster Linie daran, dass „bei der NPD nach unserer Auffassung kein Material dabei ist, das Zustimmung verdienen würde“. Zudem, ergänzt Klaus Mätz, SPD-Fraktionschef von Marzahn-Hellersdorf, „machen die sehr viele Formfehler“. Im dortigen Parlament habe man alle Anträge der NPD abgelehnt beziehungsweise aufgrund von Formfehlern gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. Ohnehin, so sind sich alle SPD-Vertreter einig, seien die von den rechten Parteien eingebrachten Vorschläge meist ideologisch einseitig, inhaltlich falsch begründet und wenig kenntnisreich. Eine Debatte im Parlament erübrige sich daher meist von vornherein.

Genau das, sagt Professor Eckhard Jesse, Politologe an der TU Chemnitz, sei nicht richtig. Den demokratischen Parteien müsse es darum gehen, die Wähler zurückzugewinnen, aber „das geht nur über die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen und Vorschlägen“ von NPD und Republikanern. Man müsse zwar nicht auf jeden einzelnen Antrag eingehen, aber gerade bei populistischen, wenig durchdachten Vorschlägen sollten die Parteivertreter dazu gebracht werden, sie öffentlich und sachlich zu begründen. Dies trage mehr zur Entlarvung und Bekämpfung bei als das Ignorieren oder gar Versuche, die NPD zu verbieten.

Tom Schreiber, Landesabgeordneter und Leiter der SPD-internen Berliner Projektgruppe Rechtsextremismus, stimmt solchen Überlegungen prinzipiell zu: „Man muss mehrere Strategien fahren.“ Bei bestimmten Fragen sei eine Auseinandersetzung nicht sinnvoll. „Bei Fragen zur aktuellen Tagespolitik wie Verkehr, Bildung und Schule kann man allerdings schon auf die Forderungen der NPD eingehen und zeigen, dass sie nicht funktionieren.“ Man stehe im Umgang mit rechten Parteien in den Berliner Bezirken jedoch noch am Anfang: „Das muss und wird sich noch entwickeln.“

SVEN BEHRISCH