Vorwürfe gegen Heidelberger Polizei: 1 Knochenbruch, 2 Versionen

Ein Mathematik-Doktorand aus Kamerun sagt, die Bundespolizei in Heidelberg habe ihn ins Gesicht geschlagen. Die bestreitet die Vorwürfe.

HEIDELBERG taz Der Mathematiker Akono M. aus Kamerun dachte, die Polizei wolle ihn umbringen. Das zumindest sagte er seinem Bruder, als dieser in der Nacht zum 9. Mai in die Polizeiwache der Bundespolizei im Heidelberger Hauptbahnhof eilte. Was zuvor geschah, davon gibt es zwei völlig unterschiedliche Versionen. Roland Siewe, ein Freund von M. und Vorsitzender der afrikanischen Studentenorganisation Vasuh in Heidelberg, gibt weiter, was M. schilderte. Dieser sei noch zu traumatisiert, um darüber zu sprechen.

Der 32-jährige Mathematiker M. hat an der Universität Heidelberg sein Diplom gemacht und wartet darauf, dass seine Doktorandenstelle genehmigt wird. Als ihn in der bewussten Nacht drei Bundespolizisten vor dem Hauptbahnhof nach seinem Ausweis fragen, muss er dringend einen Zug erreichen. Akono M. will sich mit seinem Studentenausweis, seinem Sozialversicherungsausweis oder einer Bahncard ausweisen, da er seinen Reisepass nicht dabeihat.

Zwei Bundespolizisten führen M. auf die Wache, ein dritter prüft seinen Namen im Computer, Rucksack und Geldbeutel werden durchsucht. Dann stellen die Beamten den Rucksack mitsamt dem Geldbeutel vor ihm auf die Theke. M. setzt den Rucksack wieder auf, hält die Kontrolle für beendet. Aus dem Nebenraum kommt ein anderer Beamte hinzu und will den Rucksack erneut durchsuchen. M. weigert sich, beschwert sich. Zwei Beamte halten ihn fest. Der Dritte schlägt ihm, so erzählt es Siewe, ins Gesicht. M.s Bruder fährt ihn noch in der Nacht in die Kopfklinik in Heidelberg. Die Ärzte stellen einen Bluterguss im Gesicht fest. Als er am nächsten Morgen starkes Nasenbluten hat, wird mit einer weiteren Untersuchung ein Bruch des Mittelgesichtsknochens festgestellt.

Die Version der Bundespolizei, die ein Sprecher gegenüber der taz aus den Berichten und Protokollen zitiert, sieht anders aus: Demnach weigert sich M. bereits im Bahnhof, sich auszuweisen.

Er stößt unter anderem einen Beamten. Erst dann führen sie ihn aufs Revier. Schon im Treppenhaus schlägt er mit den Armen um sich und versucht, einen Beamten mit der Faust zu schlagen. Man legt ihm Handschellen an. In der Wache tritt er um sich, verbiegt einem Beamten den Finger, zwei Beamte bekommen Prellungen und Kratzer ab.

Über eine Verletzung M.s könne er nichts sagen, erklärt der Polizeisprecher. Zeugen für den Vorfall gibt es keine: Drei Landesbeamte und M.s Bruder kommen erst hinzu, als der Konflikt vorbei ist. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Heidelberg gegen den Kameruner - die Bundespolizei hat ihn angezeigt. Gegen die Bundespolizei ermittelt sie aufgrund von Medienberichten in eigener Initiative.

Siewe sagt, die Polizeidirektion Heidelberg in der Römerstraße habe am 15. Mai eine Anzeige durch Akono M. nicht annehmen wollen. Es liefen ja bereits Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, hätten die Beamten als Begründung angeführt. "Das ist kein Student, der keine Papiere hatte. Das ist übertriebene Polizeigewalt. Wir wollen mehr Würde", sagt Siewe.

Seit der Fall durch die Medien geht, sagt er, meldeten sich immer wieder Asylbewerber und Afrikaner und berichteten von Polizeigewalt, darunter ein Afrikaner, dem Ähnliches vor Jahren in Heidelberg passiert sei. Die Dunkelziffer sei hoch, viele fürchteten bei Gegenanzeigen der Polizei um ihre Aufenthaltserlaubnis. Auch M. habe zunächst nicht an die Öffentlichkeit gewollt, da er Angst um seine Doktorandenstelle hätte. Seinen Fall wollen mehrere afrikanische Organisationen nun nutzen, um auf Polizeigewalt aufmerksam zu machen. INGO ARZT

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