Trotz Wirtschaftsaufschwung: Einkommensschere öffnet sich

Der Anteil der Nettolöhne am Volkseinkommen erreicht einen Tiefstand, wie aus aus einem Bericht der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht.

Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ist weiter zurückgegangen. Bild: dpa

BERLIN taz Trotz des Wirtschaftsaufschwungs sind die Einkommen in Deutschland zunehmend ungleich verteilt. So ist der Anteil der Löhne am Volkseinkommen weiter zurückgegangen. Dies ergibt sich aus dem neuen "Verteilungsbericht", den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag vorstellte.

"Die Nettolohnquote hat ein historisches Tief erreicht" sagte der WSI-Verteilungsexperte Claus Schäfer. Die Löhne machten im ersten Halbjahr 2007 nur noch 38,8 Prozent des privat verfügbaren Volkseinkommens aus. Schon im Jahre 2006 hatte diese Quote bei nur noch 40,5 Prozent gelegen. Zum Vergleich: Im Jahr 1960 erreichte die Quote knapp 56 Prozent. "Die Nettoeinkommen aus abhängiger Arbeit profitieren nicht vom Aufschwung", erklärte Schäfer.

Die Einkommensanteile aus Gewinnen und Vermögen legten hingegen erneut zu. Im ersten Halbjahr dieses Jahres machte dieses Geld 36,6 Prozent des privat verfügbaren Einkommen aus. Im Jahre 2006 lag diese Quote bei 33,8 Prozent, wobei man berücksichtigen muss, dass diese Einkünfte einer relativ kleinen Personengruppe zufließen. Der Rest des Volkseinkommens errechnet sich aus Transferzahlungen wie Rente, Kindergeld oder Arbeitslosengeld.

Noch einen weiteren Tiefstand meldete das WSI gestern: Die Kaufkraft der Arbeitseinkommen macht nur noch rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus. Die Zahlen zeigten, wie zweifelhaft eine "nachhaltige Entwicklung der Binnennachfrage sei", so Schäfer. Ein nur vom Export getragener Aufschwung aber sei "labil", je mehr sich "erkennbare weltwirtschaftliche Risiken verstärken", erklärte der Experte.

Der Bundesregierung stellt Schäfer ein zwiespältiges Zeugnis aus. Die jüngeren fiskalischen Maßnahmen bedeuteten eine "Umverteilung von unten nach oben". Die Mehrwertsteuererhöhung, die Abschaffung der Pendlerpauschale, die Senkung des Sparerfreibetrages belasteten kleine Einkommen überproportional. Die Unternehmenssteuerreform, die Abgeltungssteuer bei Kapitaleinkünften und die Erbschaftsteuer begünstigten zudem hohe Einkommen und Vermögen. Gleichzeitig herrsche aber bei der großen Koalition eine "gewisse Nervosität" angesichts der Verteilungsprobleme, attestierte Schäfer und verwies dabei unter anderem auf die Verlängerung des Bezuges von Arbeitslosengeld I und die Niedriglohndebatte.

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