Himmel über Berlin

■ Mit "York" kam endlich der Sommer / Die Wetterfrösche versprechen stabile Verhältnisse / Bäder und Seen überfüllt

„Petrus“, meint ein Passant schwitzend, „muß ein Sozialdemokrat sein: Erst werden Gewitter angekündigt, und dann löst sich doch alles in eitel Sonnenschein auf.“ Wie dem Passanten ging es gestern vielen. Warten auf das kühlende Naß, weil die Hitze unerträglich geworden ist. Auf 33 Grad stieg das Quecksilber und damit auf den bislang höchsten Wert dieses Jahres. Bereits am Samstag erreichten die Temperaturen 29 Grad.

„York“, das Stimmungshoch auf dem Berliner Barometer, ließ vor allem die Herzen der Badefreunde höher schlagen. Rekordandrang mit über 10.000 Besuchern im Kreuzberger Prinzenbad, adriatische Verhältnisse am Flughafensee und Zillesche Sittengemälde an den Berliner Umlandgewässern. Allen schwarzen und ultravioletten Gefahren zum Trotz: Die BerlinerInnen lagen in der Sonne wie die Würstchen auf dem Grill, leerten Tuben voller Sonnencreme und Dosen voller Bier.

Denen, die schon gar nicht mehr dran glauben wollten, zerstreute das Wochenende den letzten Zweifel. Der Sommer 94 ist doch noch gekommen. Nun kann alles seinen Gang gehen. Die Biergärten zählen ihre Einnahmen, die Brauereien ihre Lagerbestände, die Verbraucher stürmen die Spreequell-Regale, die Freaks putzen ihre „Mopeds“ und die Berliner ihre Seele. Wie immer: Die Genießer werden in der Stadt bleiben, weil Berlin in diesen Monaten am schönsten ist und Kreta auch im Herbst noch locken kann, die Paniker werden Stoßgebete zum Himmel senden, auf daß das Wetter am Pauschalreiseort dem Berlinischen entspreche, und die Melancholiker dauert's, daß die Tage, kaum sind sie warm, auch schon wieder kürzer werden, der Sommer mithin sein eigenes Ende in sich berge.

Vorerst freilich bleibt alles beim alten. Die Sonne wird morgen nur unwesentlich später (5.08 Uhr) auf- und kaum früher (21.42 Uhr) untergehen als heute, der Vollmond ist erst leicht beschädigt, und „York“, das Hoch, wird uns noch eine Weile erhalten bleiben. So jedenfalls verspricht es nun Petrus, nachdem das Gewitter bis Redaktionsschluß gestern auf sich warten ließ. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. wera