Ohne Hemd und ohne Höschen

■ Anhänger der Freikörperkultur können sich an vier Berliner Seen und auf einer "tolerierten" Nacktliegewiese austoben / Hobbytheorie über die Nacktbader

Wenn die Hitze so unerträglich wird, daß auch das kleinste Kleidungsstück zum Schwitzkasten wird, gibt es nur eins: runter mit den Badesachen, und rein mit dem weißen Hintern ins Wasser. Das Angebot für Nacktbader ist bescheiden: Nur am Tegeler See, Plötzen- und Wannsee gibt es Nackt-Strände, das Hauptbad am Müggelsee mit 2.000 Quadratmetern FKK-Liegefläche wird derzeit umgebaut.

Passend zum Adams- und Evakostüm ist der FKK-Strand am Tegeler See „naturbelassener“ als der restliche Strand. Obwohl der FKK- Teil sehr viel grüner als der restliche Teil ist und sogar einen waldwiesenartigen Untergrund für die Nackedeipopos hat, ist er nicht überfüllt. Es sei nach wie vor eine „bestimmte Gattung von Badenden, die sich da zurückzieht“, so Bäderamtsleiter Dieter Krüger. Da man davon ausgehe, daß sich jeder so verhalte, wie man das erwarten kann, gibt es weder „Ver- noch Gebote“.

Am Nacktstrand am Wannsee kann man sogar splitterfasernackt das Bier und die Pommes am Imbiß kaufen – für Bäderamtsleiter Jürgen Hurt („Hurt, wie hurtig“) eine Frage der Auffassung. „Damit muß man leben.“ Die Nacktklientel untergliedert Hurtig in zwei Gruppen: Die „sporadischen“ Nacktbader, die sich selbst mal ausziehen, um was zu sehen, sowie „die Individualisten, mit einem besonderen Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Umwelt“, für die die Freikörperkultur fast schon eine „Ideologie“ ist; für Hurt leicht erkennbar an ihren oft „überschlanken Körpern“. Auch wenn Hurt den Anblick eines schönen nackten Mannes oder einer Frau mit dem Vergnügen gleichsetzt, eine schöne Blume zu betrachten, schützt eine „Schamwand“ die einen vor den anderen. Ansonsten sei die Freikörperkultur „ein ganz normaler, gewachsener Bestandteil des Badelebens“, und das Strandbad habe sich „den gesellschaftlichen Bedingungen angepaßt“. Deshalb greift Hurt auch sowenig wie möglich regulierend ein. Probleme zwischen Nackten und Bekleideten gebe es nicht, zumindest „nicht nach außen hin“. Daß Männer im Adamskostüm sich darüber beschwerten, daß Frauen vom Kleiderlager „intensiv zu ihnen rüberschauen würden“, kann er überhaupt nicht verstehen.

Ganz anders auf der „tolerierten“ Nacktliegewiese im Prinzenbad, wo ein „Herr der Ringe“ mit seinem Intimschmuck sowie Meditierende, nur mit Walkman bekleidet, die Sonne anbeten. Man darf sich nur nicht daran stören, daß es hinterm Zaun raschelt und junge Männer mit Ästen und Blättern übersät aus dem Unterholz hervorkriechen. Nach der Badeordnung sei eine Nacktwiese in einem Freibad zwar nicht zulässig, so Bäderamtsleiter Manfred Loeck, liege aber im Ermessen des Bäderamtes. Außer daß sich einmal ein Vater von einem angrenzenden Haus darüber beschwert hat, daß sein Sohn mit ansehen mußte, wie „jemand an sich herummanipuliert hat“, gebe es keine Probleme. Die Sittlichkeit wird durch die Nackten nicht gefährdet. Ein Glück. Barbara Bollwahn