Vorschlag

■ Magenfreundlich: Simentera bei den Heimatklängen

Sie bremsen die Weltkugel ab Foto: Veranstalter

Wenn man eine Nacht nicht geschlafen hat, weil die Hühnerkeulen nicht da bleiben wollten, wo sie hingehören, im Magen, man mittags triefnaß aufwacht, dann im Prinzenbad nicht geradeaus schwimmen kann, weil einem ständig Kinder vors Gesicht springen, die einen als Spießer beschimpfen, wenn man sie auffordert, ordentlich längs und nicht quer zu schwimmen, dann hat man eher wenig Lust abends im Tempodrom in der schwitzenden Masse Heimatklangsüchtiger unterzutauchen.

RumbaSambaTätärä hätte mein Magen jedenfalls am Mittwoch zum Auftakt der zweiten LusoMania Woche auf keinen Fall akzeptiert. Aber, formulieren wir es ruhig mal übertrieben, die achtköpfige Band Simentera von den Kapverden, einer zehnköpfigen Inselgruppe vor der westafrikanischen Küste, macht alles genau richtig. Ein kühlender Groove weht mir um die Ohren, der mich erstmals an diesem Tag großmütig stimmt, und so vergesse ich nach einer Weile sogar, mich über das Gerede meiner Nachbarn aufzuregen, die wieder mal alle überhaupt nicht richtig zuhören. Nur ich weiß, daß hinter dem Zirkuszelt gerade der Vollmond aufgeht. Längst schwebe ich in einer Slow-Motion- Klangwolke, liege am Sandstrand und streichle eine Riesenschildkröte.

Simentera existiert erst seit März 92, in kurzer Zeit wurden sie zu einer der populärsten Bands der ehemals portugiesischen („lusomanischen“) Kapverden. Als würde irgendjemand mit seinem dicken Finger die Weltkugel ganz leicht abbremsen und dabei wie ein Dynamo funkelnd Strom erzeugen, hören wir eine Morna-Coladera-Funana-Mischung aus drei verschiedenen Traditionsmusiken der Kapverden. Absolut Magenfreundlich. Andreas Becker

Simentera & Augustinho de Pina. Heute und morgen, 21.30, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten