Eine folgenschwere Wende Von Klaudia Brunst

Natürlich geht auch an uns die Hitze nicht spurlos vorbei. Vor allem die nächtliche Schlaflosigkeit und daraus resultierende morgendliche Antriebsschwäche meiner Freundin machen das Zusammenleben nicht immer einfach. Kurzum: Die Zeit der getrennten Schlafzimmer schien gekommen.

„Schon irgendwie ein Einschnitt“, befand meine Freundin, während sie mir dabei half, mittels der Luftmatratze ein behelfsmäßiges Schlaflager in meinem Arbeitszimmer zu bauen. „Ich meine, wir sind jetzt seit fast neun Jahren zusammen...“ – „...aber Gott sei Dank war es nicht die ganze Zeit über derart heiß!“ gab ich luftfächernd zurück. „Trotzdem!“ beharrte meine Freundin, „trotzdem ist es irgendwie ein Wendepunkt.“

Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte sie recht. So ganz unlieb war mir diese neue Unabhängigkeit nämlich nicht. Konnte ich doch so endlich wieder einmal auf meinen eigenen Biorhythmus hören, spät schlafen gehen und früh aufstehen, während meine Freundin sich für die Variante früh schlafen gehen und spät aufstehen entschied.

Gestern morgen empfahl mir mein Biorhythmus, noch vor dem Aufstehen schwimmen zu gehen. Ins Freibad. Ganz allein. Um mal wieder etwas für mich zu tun. Behutsam schlich ich mich am Schlafzimmer vorbei, kramte die Badesachen zusammen und schlüpfte aus dem Haus. „Bin im Prinzenbad. In Liebe, Klaudia“, hinterließ ich auf dem Küchentisch. Soviel Partnerschaft muß sein.

Wie zu erwarten harrte das Kreuzberger Prinzenbad noch fast unberührt seiner Gäste. Um so besser! So würde mich wenigstens niemand in meinem alten Badeanzug sehen. Sehr mit mir und der Welt zufrieden genoß ich die Einsamkeit der frühen Stunde, zog still und zufrieden meine Bahnen, dachte an Gott, die Welt und ob es nicht doch an der Zeit sei, meinem Leben einen neuen Sinn zu geben.

Da bemerkte ich irgendwann, daß ich nun doch Gesellschaft bekommen hatte. Am anderen Ende des Beckens bewegte sich etwas. Als Brillenträgerin ist mein Blickfeld im Schwimmbad immer etwas eingeschränkt. Diskret wechselte ich also bei der Wende die Bahn, um etwas näher an mein Gegenüber heranzukommen. Die Gegenseite tat es mir gleich. Exakt in der Mitte des Beckens kreuzten sich unsere Wege. Es war eine Frau, soweit ich ihren einteiligen Badeanzug erkennen konnte. Irgendwie schien sie sich für mich zu interessieren. Ich legte eine Lage Rückenschwimmen vor, und siehe da: Auch das tat sie mir nach.

Aha, dachte ich mir, ein kleiner Freibadflirt! Warum eigentlich nicht? Diskret ließ ich mich (toter Mann!) zurückfallen, um auf der Höhe der schönen Fremden einen kleinen, neckischen Wasserhandstand zu vollführen. Sie antwortete mit einem beeindruckenden Meter Schmetterling, returnierte meine gefüßelte Wasserfontäne mit einer perfekten Rolle rückwärts und tauchte schließlich nicht unflott unter mir her. Dann zog sie sich elegant am Beckenrand hoch und warf mir auf dem Weg in die Umkleidekabine einen eindeutigen Blick zu. Ohne zu zögern, setzte ich nach.

Ich war noch nicht ganz bei meiner Brille, da wurde ich auch schon rücklings in eine Kabine gezogen. „Hätte gar nicht gedacht, daß du noch so einfallsreich sein kannst!“ jubilierte meine Freundin. „Super, deine Idee mit dem Freibad!“