Bei Regen fällt die Liebe aus

Auf der Strecke bleibt bei schlechtem Wetter nicht nur der Umsatz in den Gartenlokalen, sondern auch das Liebeswerben von Jugendlichen. Nur der In-coming-Tourismus boomt  ■ Von Plutonia Plarre

Alle stöhnen über den Regen. Nur Erich Kasten nicht. Denn er ist jetzt ein gefragter Mann. Nie ist die Meinung des 44jährigen Psychologen an der medizinischen Fakultät in Magdeburg begehrter als bei Extremwetterlagen. Der anhaltend dunkle Himmel, ist sich der Experte fürs Gefühlsleben sicher, wirkt sich negativ auf das erste Liebeswerben aus. Nein, nicht von Fröschen oder Hirschen ist die Rede, sondern von Jugendlichen. „Die ersten Flirts beginnen meistens im Schwimmbad oder am Strand, das kann bei diesem Wetter natürlich nicht stattfinden“, weiß der Vater von drei heranwachsenden Kindern. Für die ersten Körperkontakte sei ein gewisser Körperkult notwendig. „Die jungen Männer lassen im Schwimmbad ihre Muskeln spielen, und die Mädchen zeigen auch ein bißchen mehr als sonst.“

Schon in seiner Jugend sei der Sommer stets die „Hauptsaison für neue Bindungen“ gewesen, erinnert sich Kasten. „Ich komme von Travemünde und war ein typischer Beach-Boy.“

Die Brandenburger Bauern plagen andere Sorgen als die Flirts ihrer Kinder: „Wie bekomme ich Gerste, Raps und Heu trocken in den Schober?“ Wenn es so weiterregnet, müsse mit einem Verlust von 15 bis 20 Prozent bei der Ernte gerechnet werden, befürchtet der Sprecher des Bauernverbandes, Holger Brantsch. Die Wettervorhersage macht wenig Hoffnung. Zumindest bis zum Wochenende soll es so bleiben, wie es ist: wechselhaft und viel zu kühl für die Jahreszeit.

Regenschirme und Friesennerze sind die absoluten Verkaufsschlager. Daß er auf den Badehosen und hauchdünnen Fummeln sitzenbleibt, stört den Geschäftsführer des Kaufhofs am Alexanderplatz, Uwe Spanka, wenig. Denn die für die Jahreszeit ungewöhnlich große Nachfrage nach warmen Jacken, Pullovern und Mänteln läßt die Kassen klingeln.

Norbert Hennig, König von elf Berliner Eisfilialen, die er sich mit seinen Schwestern Maria und Christine teilt, plant grundlegende Neuerungen: „Wir machen in Zukunft nur noch im Winter auf, da läuft das Geschäft einfach besser. Im Sommer spezialisieren wir uns auf den Verkauf von Weihnachtsbäumen.“

Auch in den Gartenlokalen fliegt zur Zeit nicht gerade die Kuh. „Naß und leer“, beschreibt Kellnerin Yvonne vom Seehasen am Kleinen Wannsee die Lage. Der Büfettier vom Blockhaus Nikolskoe gegenüber der Pfaueninsel, sonst Ausflugsziel Nummer eins der Schultheiß-Berliner, sagt es charmanter: „Bei uns kriegt man noch Platz.“ Bei schönem Wetter seien die Leute ganz anders in Konsumstimmung, weiß der Geschäftsführer der Hotel- und Gaststätteninnung, Karl Weißenborn. Er hofft, daß die Gäste Nachholbedarf haben, falls sich die Sonne noch mal länger zeigen sollte.

Auch die Berliner Bäder Betriebe (BBB) fahren gerade ein Minus in Millionenhöhe ein. Nur die hartgesottenen Inhaber von Dauerkarten ziehen im Prinzenbad bei Wind und Wetter ihre Bahnen. Nicht selten seien es nur 25 bis 30 Leute am Tag, weiß Bäder- Sprecher Manfred Radermacher. An heißen Tagen füllen das Prinzenbad bis zu 15.000 Besucher.

Am Schlachtensee können Spaziergänger Ruderboote bei Regen zum Sonderpreis mieten. Statt 12 Mark die Stunde kostet der Kahn nur 6 Mark. Bei der Stern- und Kreisschiffahrt hält man von solchen Offerten nichts. „Bei Regen setzt sich keiner freiwillig aufs Oberdeck“, bedauert Pressesprecherin Rosemarie Marotz. Daß die Berliner kaum vor die Tür gehen, macht der In-coming-Tourismus wieder wett. Was die Zahl der Hotelbuchungen angeht, ist die Stadt an der Spree Deutschlands Reiseziel Nummer eins.