Keine Rechte und keine Geduld mehr

Italiens illegale Einwanderer wollen ab heute gegen die kafkaeske Umsetzung des Einwanderungsgesetzes von 1998 demonstrieren. Völlig willkürlich verweigerten die Behörden Zehntausenden von ihnen die versprochene Legalisierung

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Die italienische Regierung spielt ein makabres Spiel mit unserem Leben.“ Kibria, Vorsitzender der Vereinigung der Bangladescher in Italien, schaut hinüber zu den fünf jungen Männern, die verschwitzt und ermattet auf dem Boden liegen, vor der heißen Nachmittagssonne nur durch eine notdürftig aufgespannte Plane geschützt. Sie sind seit Ende Mai im Hungerstreik, weil die Regierung ihnen die Aufenthaltserlaubnis verweigert, ihnen genauso wie 50.000 anderen Immigranten.

Ihr Biwak haben sie am Eingang der Diokletiansthermen aufgeschlagen, im Herzen Roms. Tag für Tag ziehen Touristengruppen aus aller Welt achtlos an ihnen vorbei; Tag für Tag finden sich aber auch die in Italien Unerwünschten, die Immigranten aus Sri Lanka, Pakistan, dem Senegal, Marokko, zu Hunderten bei den Hungerstreikenden ein.

„Und am Samstag in Brescia, am Sonntag hier in Rom werden wir Tausende sein, bei unseren beiden nationalen Demonstrationen“, ist sich Kibria sicher. „Wir wollen die Regierung endlich zwingen, sich an das 1998 verabschiedete Einwanderungsgesetz zu halten.“ Ein Gesetz, das gerade die Immigrantenverbände begrüßt hatten: Es sah für die Zukunft Einwanderungsquoten vor, den schon im Land Befindlichen versprach es die Legalisierung. Beibringen mussten die Immigranten neben dem Nachweis von Wohnung und Arbeit den Beweis, dass sie vor März 1998 nach Italien gelangt waren.

„Ich habe einen Einreisestempel im Pass vom August 1997, ich habe den Ausweis der Caritas-Betreuungsstelle in Frascati, ausgestellt im Januar 1998, aber die Ausländerpolizei hat die Dokumente einfach für dubios erklärt und mir die Aufenthaltserlaubnis verweigert.“ Wie dem 20-jährigen Pakistani erging es 50.000 der 251.000 Illegalen, die 1998 den Antrag auf Legalisierung gestellt hatten. Fast zwei Jahre ließen sich die italienischen Behörden Zeit, dann hagelte es in diesem Frühjahr Ablehnungen.

Denn von Anfang an war klar, dass „Illegale“ kaum mit legalen Dokumenten aufwarten können, um ihren Aufenthalt im Land zu beweisen. Also entschied das Innenministerium, dass Unterlagen aller Art zu Prüfung vorgelegt werden konnten. Die prüfenden Beamten durften dann nach Gusto entscheiden. „Meinem Kumpel wurde der Caritas-Ausweis als Beleg anerkannt, mir nicht – und das in der gleichen Stadt, beim gleichen Kommissariat“, berichtet ein Marokkaner.

Krankenhausaufenthalte wurden als Nachweis akzeptiert, ein Besuch beim Hausarzt nicht. Monatskarten der öffentlichen Verkehrsmittel gelten nicht, ein Schwarzfahrerknöllchen dagegen schon. Der Ehemann bekam die Aufenthaltserlaubnis, die Ehefrau mit den gleichen Unterlagen bekam sie nicht. Die Senegalesin, die im Dezember 1997 in einem italienischen Krankenhaus ein Kind geboren hatte, musste sich sagen lassen, das „reiche nicht“ als Nachweis ihres Aufenthalts.

50.000 „unklare“ Fälle liefen so auf. Zunächst zeigte sich das Innenministerium konziliant und verschickte im März ein Rundschreiben, wonach in allen Zweifelsfällen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei. Doch kaum bekam die Presse da- von Wind, kaum zeterte die Rechtsopposition, da trat Innenminister Enzo Bianco den Rückzug an. Im Zweifel abgelehnt, hieß es nun, und 50.000 Ausländer wurden von einem Tag auf den anderen zu Abschiebekandidaten. „Da herrscht absolute Willkür“, meint der Sprecher der Pakistani, Shah Arif. „Das nehmen wir nicht hin. Und wenn die Regierung uns nach den Demonstrationen am Wochenende keine positive Antwort gibt, dann werden wir unseren Protest weiter verschärfen.“