„Ich will nicht still sein“

■ Der in Bremen lebende nigerianische Autor Uche Nduka sprach mit der taz über sein neues Buch „Belltime Letters“

Uche Nduka wurde 1963 in Nigeria geboren und lebt seit 1994 in Bremen. Nach „Flowerchild“ (1988), Second Act (1994), The Bremen Poems (1995) und Chiaroscuro (1998) präsentiert er am Samstag im Lagerhaus (KIOTO) sein fünftes Buch „Belltime Letters“. Mit der taz sprach Nduka über sein Buch und jene, die es nicht mögen werden.

„How do you define this book? Essays? Letters? Thoughts? Opin-ions? Prose? Poetry? I don't know how to define it!“ lacht Uche Nduka. Der Autor sitzt barfüßig auf einem Sessel in seiner kleinen Souterrainwohnung im Viertel, kaut Gummibärchen und freut sich sichtlich über sein neuestes Projekt. Er ist gerade zum sechsten Mal Vater geworden: vier Lyrikbände, ein Sohn (der in Nigeria bei seiner Mutter lebt) und nun seine erste Veröffentlichung in Prosaform, die „Belltime Letters“: 89 fiktive Briefe, adressiert an eine Vielzahl von (ebenfalls fiktiven?) Personen: Freunde, Freundinnen, Geliebte, Kollegen, Familienangehörige. Illustriert mit feinen Schwarzweißzeichnungen des Bremer Künstlers Martin Kakies.

Worum geht es in den „Letters“? Vor allem sind es persönliche Sichtweisen der Welt, in einer für einen Lyriker überraschend deutlichen und unverschlüsselten Sprache. Einige der „Letters“ sind politische Statements. „I am not comfortable with a murderous and manipulative US deciding the course of other nations“, heißt es in „Letter 63“; oder in „Letter 9“: „The reports about Nigeria that I read these days make me sleepless“.

„Das sind meine persönlichen Meinungen“, sagt Nduka, „aber kein Mensch kann von mir erwarten, so etwas in ein Gedicht zu packen. Unmöglich. Aber in Prosa kann ich Dinge tun, die ich in einem Gedicht nicht tun würde. Ich kann mich deutlicher ausdrücken. Dieses Buch sagt: Das bin ich, und dies bin ich nicht. Ohne jede stilistische Absicht, darum habe ich mich einen Dreck geschert. Ich habe dieses Buch gemacht, weil ich nicht still sein will.“ Es sei so, dass einige nigerianische Kollegen ihn kritisierten, weil er in seiner Lyrik keine Politik verhandle. „Kunst kann man nicht instrumentalisieren. Wenn man das versucht, tötet man sie. Ich verwehre mich vehement dagegen, meine Kunst irgendeinem Zweck zu unterstellen, und sei er auch noch so lobenswert.“

Sind die „Belltime Letters“ also keine Kunst? Das will weder der Autor bestätigen noch der Leser glauben. Zu verspielt sind einige der Briefe; zu sehr vermengen sich in frühromantischer Manier die Gattungen, wird nüchtern essayhafte Prosa zu Poesie, zu Drama, so dass man Nduka die vorgebliche Vernachlässigung der stilistischen Elemente nicht abzunehmen gewillt ist.

„Natürlich ist das Buch nicht frei von Stilmitteln“, gibt der Autor zu. „Aber die Sprache lässt sich nicht von ihnen einkerkern. Sie spielt mit ihnen, wirft sie fort, sucht sich neue. Sie bedient sich dieser Mittel, aber sie bleibt der Form, die sie ihr aufzwingen wollen, nicht verhaftet. Sie durchbricht ständig Erwartungen, ohne dies bewusst tun zu wollen. Dieses Spielerische hat mir wirklich viel Spaß gemacht. Die „Letters“ sind auch ein 'Nein!' an die Adresse von Kritikern und Literaturwissenschaftlern, die herausgefunden haben wollen, wer ich bin und was meine Kunst ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dieses Buch nicht mögen werden.“

Er habe intensiv darüber nachgedacht, welche Form er seiner Idee geben solle. Ein Buch in Briefform, das sei ein „altes Ding“. Aber für ihn sei es neu. Genauso neu wie für einige seiner Freunde und Leser, für die dieses Buch wohl eine ziemliche Überraschung sein dürfte. „I am an adventurer and poetry is my adventure“, heißt es in einem der „Letters“. Nduka ist einer, der sich nicht mit Erreichtem zufrieden gibt. Einer, der Sicherheiten ablehnt, weil sie ihn einengen. Es lohnt sich, ihm zuzuhören, wenn er aus diesem ungewöhnlichen und mutigen Buch liest. Tim Ingold

„Belltime Letters“. NewLeaf Press, Bremen 2000. Präsentation am Samstag, 20 Uhr, im Lagerhaus