Sicheres Drittland Thüringen?

■ Vater abgeschoben, Mutter im Krankenhaus, Kinder betreut / Bremen will die Familie zurück nach Weimar schicken

Er ist ein Roma aus Bosnien, sie ist eine Roma aus dem Kosovo. Er wurde als abgelehnter Asylbewerber vor zwei Tagen abgeschoben, sie wird als Geduldete seit knapp zwei Monaten im Krankenhaus Bremen-Ost behandelt. Gemeinsam haben die nach Roma-Recht verheirateten Leute fünf Kinder. Nun droht Sabina D. und ihren Kindern nach der Entlassung aus dem Krankenhaus die „Abschiebung“ nach Weimar. Dort nämlich hat sie vor rund neun Jahren ihren Antrag gestellt, gelebt aber hat sie dort nur drei Monate.

Ihr Mann stellte einen Asylantrag, obwohl er als Kriegsflüchtling gute Chancen hatte, mit einer so genannten Duldung hierzubleiben. Die Asylbestimmungen waren jedoch enger: D. wurde abgelehnt und abgeschoben. Unter falschem Namen beantragte die Familie in Aurich erneut Asyl, Bremen wurde als Wohnort bestimmt. Dort lebt die Mutter mit vier Kindern seit über acht Jahren, auch ihr Mann reiste illegal wieder ein. Das fünfte Kind kam zur Welt.

Jetzt ist die Sache mit dem falschen Namen aufgeflogen, D. wurde abgeschoben, Sabina D. soll mit den Kindern zurück nach Weimar, wo sie vor langer, langer Zeit ihren Antrag unter richtigem Namen gestellt hat und wo sie nach Ansicht der Bremer Innen- und der Sozialbehörde hingehört. „Thüringen ist und bleibt zuständig“, bestätigt knapp Matthias Cramer, Sprecher beim Innensenator. „Das kann doch nicht wahr sein“, sagt dagegen Ghislaine Valter vom Verein Grenzenlos. „Gibt es jetzt schon innerhalb der Republik sichere Drittländer?“ fragt sie sich.

Tatsächlich haben Asylbewerber eine so genannte „Residenzpflicht“, sie dürfen das Bundesland, dem sie zugewiesen werden, nicht verlassen. Sabina D.s Anwalt Jan Sürig hat dennoch eine Klage beim Gericht eingereicht. Aber selbst, wenn das Gericht nicht im Sinne der Familie entscheidet: Aus humanitären Gründen müsste die Stadt der gesundheitlich stark angeschlagenen Kosovarin ein Bleiberecht gewähren, findet der Grüne Matthias Güldner. „Wenn diese Kinder jetzt hier rausgerissen werden, braucht man sich über die Folgen nicht zu wundern.“

Bei der Sozialbehörde heißt es, die Zuständigkeit liege nunmal bei Weimar. Das Ressort gehe nicht davon aus, so Sprecher Jörg Henschen, „dass die Familie in Thüringen aufgrund ihrer Herkunft bedroht ist.“ Wenn man die Gesetze umgehe, könne in Zukunft ja jeder kommen und seinen Wohnsitz in Bremen wählen. „Jeder, der so fertig sein will wie diese Frau“, meint dazu Anwalt Jan Sürig.

Sabina D. hat ihr kleinstes Kind bei sich im Krankenhaus, die anderen vier leben in einer kleinen Wohnung in der Bismarckstraße – drei sind schulpflichtig. „Sie haben Freunde und Bekannte dort,“ sagt ihre Mutter weinend, „und sie sagen, sie gehen nicht zurück nach Weimar.“ In der Geteschule, in der Lessingschule und in der Schule Schaumburger Straße werden die drei unterrrichtet, ansonsten kümmert sich eine Pflegerin. Sie schläft auch bei den Kindern.

Wie lange das noch dauern wird, weiß niemand so genau. Frau D. hat nach einem Gutachten aus dem Krankenhaus Ost ein Kriegstrauma. Einen weiteren Zusammenbruch hatte sie, als die Sozialhilfe gestrichen wurde, weil die Familie unter falschem Namen hier lebte. Stattdessen bekam sie Lebensmittelmarken – in Thüringen ist diese Praxis üblich, in Bremen wird die Sozialhilfe in aller Regel bar ausgezahlt.

Seitdem der Ausländerausschuss vor vier Tagen bei einer Besichtigung des Abschiebegewahrsams mit der Abschiedsszene der Familie von ihrem Mann und Vater konfrontiert war, ist der Fall auch ein Politikum: Ausschuss-Mitglied Edith Wangenheim (SPD) wandte sich an die Sozialbehörde, um sicherzustellen, dass die Kinder versorgt sind. Der Grüne Matthias Güldner will notfalls, wenn alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft sind, eine Petition in den Landtag einbringen.

hey