Wer Urlaub will, fliegt raus

Während bundesweit erstmals bei einem freien Call-Center Tarifverhandlungenlaufen, wird bei günstiger Auftragslage einem Fünftel der Belegschaft gekündigt

BERIN taz ■ Rund 100 MitarbeiterInnen des Berliner Call-Centers „agentur für dialogmarketing – adm“ dürfen sich einen neuen Job suchen: Sie erhalten in diesen Tagen ihre „betriebsbedingte“ Kündigung. Zuvor, berichten adm-Angestellte, habe die Geschäftsleitung angekündigt, jeden zu entlassen, der auf seinem gesetzlichen Urlaubsanspruch bestehe.

„Ich frage mich“, sagt eine Betroffene, „wie die Gerüchte über neue Großkunden und die Ankündigungen, ab April oder Mai werde neu eingestellt, mit betriebsbedingten Kündigungen zusammenpassen.“ Sie vermutet eine „Säuberungsaktion“ gegen kritische MitarbeiterInnen. Auf einer Betriebsversammlung am letzten Freitag, auf der die Entlassung von 10 Prozent der 560 Beschäftigten angekündigt worden war, hätten die Chefs dies zwar bestritten; die drei Angestellten, die Formulare für Urlaubsanträge erstellt hätten, seien aber dennoch sofort gekündigt worden – „betriebsbedingt“ oder aus „Qualitätsgründen“.

Von den Angestellten, die den ihnen gesetzlich zustehenden bezahlten Urlaub beantragt hätten, sei verlangt worden, diesen Antrag schriftlich zurückzuziehen: Sie würden dem Unternehmen sonst zu teuer kommen und deshalb entlassen werden. Sollten die Beschäftigten einen Betriebsrat gründen, würde dies nur zur Schließung des Standorts Berlin führen.

Diese Radikalität passt gar nicht zum schönen Anstrich, den sich die adm, die etwa für Pharmafirmen und den Telefonanbieter Tele 2 arbeitet, gibt: Als erstes freies Call-Center befindet sich das Unternehmen in Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Ver.di. In einem Schreiben an die adm-Beschäftigten betonte Ver.di-Kontaktmann Jörg Kiekhäfer, adm sei die erste Firma der Branche, bei der sich die Gewerkschaft den Zutritt nicht gerichtlich habe erstreiten müssen. Ein adm-Mitarbeiter sieht die Verhandlungen weit weniger positiv: Sie seien nur „ein Feigenblatt, um die Agents ruhig zu stellen“. Die adm-Entlassenen treffen sich am nächsten Donnerstag, um über weitere Maßnahmen zu beraten (www.callcenteroffensive.de).

MATTHIAS SPITTMANN