Die Rechte freut sich auf den Sieg

aus Verona MICHAEL BRAUN

Verona geht es gut. An der Zufahrtsstraße reihen sich Fabrikhallen und Auslieferungslager aneinander, die Fahrbahn ist von Schwerlastern verstopft. Im Zentrum, auf dem Platz zu Füßen der antiken Arena, tollen Kinder, Rentner genießen die laue Aprilsonne, japanische Touristen drehen ihre Runden. In den Seitenstraßen künden Cafés und Boutiquen in herausgeputzten, mittelalterlichen Palazzi von Wohlstand. „Prima lebt sich's hier“, strahlt der Rentner in der Bar. Seine Freunde nicken eifrig. „Aber das haben wir uns hart erarbeitet. Hier im Nordosten wird richtig Geld verdient – und Verona ist die heimliche Hauptstadt des Nordostens.“

„Aber so geht das nicht weiter“, schimpft der Rentner unvermittelt. „Die Regierung muss weg.“ Mit einem Schlag verwandeln sich die Globalisierungssieger in Verlierer. „Wissen Sie, die Ausländer. Wir sind Opfer einer wahren Invasion, und die in Rom reden nur.“ Natürlich werde er dem Rechtsblock Berlusconis seine Stimme geben, „der wird hier eine dicke Mehrheit bekommen, darauf können Sie wetten.“ Aus der Luft gegriffen ist die Prognose nicht – schon bei den letzten Wahlen 1996 gewann der Berlusconi-Block 40 Prozent. Die damals separat angetretene Lega Nord Umberto Bossis holte 25 Prozent der Stimmen.

Arm in Arm spaziert der lokale Legachef Flavio Tosi mit Roberto Caccia, Forza-Italia-Stadtrat und Dezernent für öffentliche Bauten, über den Rathausflur. Wie Kopien ihrer Chefs wirken die beiden. Caccia ist 40 und sieht aus wie 30; er präsentiert sich braun gebrannt wie Berlusconi, im tadellos sitzenden Anzug, das schwarze Haar akkurat gescheitelt. Tosi dagegen sieht mit seinen 30 Jahren aus wie 40, bleich wie Umberto Bossi, die Haare wirr, das Hemd zerdrückt. In der Sache allerdings harmonieren die beiden. „Die Stadt ist sehr reich, aber von den hier gezahlten Steuern bleibt kaum etwas“, beschwert sich Caccia, „die Bürger wollen endlich Gegenleistungen sehen.“ Und Tosi lamentiert, dass Verona trotz der umgerechnet 2,5 Milliarden Mark Lohnsteueraufkommen immer noch auf den Tunnel nach Süden zur Autobahn wartet. „Der kostet nur 300 Millionen Mark. Wenn wir unseren Reichtum selbst verwalten würden, könnten wir uns jedes Jahr so einen Tunnel leisten.“

Also Föderalismus, mehr Macht für die Regionen? „Föderalismus ja, aber auf kommunaler Ebene“, antworten Caccia und Tosi unisono, „die Regionshauptstadt Venedig darf nicht kommandieren.“ Schließlich soll das Geld in Verona bleiben. Und die armen Regionen Süditaliens? „In die werden wir, der Veneto oder die Lombardei, dann direkt investieren, ohne den Umweg über die Zentralregierung“, meint Tosi. „Wenn's nach uns geht, ist Rom nur noch für die Außenpolitik und ein, zwei andere Sachen zuständig.“

Endlich allein die Früchte des eigenen Fleißes genießen zu können: Wenn die Rede auf „die Ausländer“ kommt, gewinnt dieses Ziel bei den Stadtpolitikern Wucht. „Es gibt schon viel zu viele von denen, die zersetzen unsere Gesellschaft“, erhitzt sich Tosi. Caccia bemerkt beiläufig, dass Veronas Arbeitgeber weiter hohen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften anmelden. Doch gleich darauf rät er: „Gehen Sie nur mal in den Stadtteil Veronetta, da ist die Situation schon außer Kontrolle, da herrscht große Erbitterung unter unseren Bürgern.“

Tür an Tür mit Tosi hat Giorgio Bragaja sein Büro, in Personalunion Vorsitzender und einziges Mitglied der kommunistischen Stadtratsfraktion. Bragaja versucht sich an Erklärungen für die Stärke der Rechten. „Große Industrie gibt's hier kaum noch, die Klitschen dominieren. Da arbeiten ein paar Leute für einen Unternehmer, der früher selbst mal Arbeiter war, und die Beschäftigten träumen davon, in ein paar Jahren auch eine Firma aufzumachen. In diesen Kleinbetrieben herrschen paternalistische Strukturen, der Konflikt im Innern ist abgeschafft – und stattdessen suchen alle einen äußeren Feind. Die Immigranten kommen wie gerufen. Und obwohl die Situation in Veronetta alles andre als dramatisch ist, greift die Hetze der Rechten.“

Wie ein Slum wirkt Veronetta am anderen Ufer der Etsch nicht. Doch anders als im Stadtzentrum sind die Ausländer hier nicht Touristen aus Japan, Frankreich, USA, sondern Zuwanderer aus Schwarzafrika, Sri Lanka, Brasilien. „Unmöglich ist das hier, Veronetta ist Veronas Afrika geworden.“ Während er redet, blickt der Anwohner ein paar schwarzen Frauen verächtlich hinterher. Kriminalität? Nein, die sei nicht gestiegen. „Aber nehmen Sie die Negerinnen. Die sind einfach vorlaut. Die sollen sich gefälligst anpassen! Ich hoffe, dass Berlusconi aufräumt.“ Seine Augen leuchten auf. „Ah, die Philippinos, die sind prima. Die arbeiten, die machen jeden Job, und sonst bemerkt man gar nicht, dass sie hier leben. Man nimmt sie einfach nicht wahr.“

Die junge Frau in der Ladentür verliert die Fassung auf die Frage, wie es sich in Veronetta lebt. „Ab in die Gaskammer mit denen! Und Feuer frei auf die Flüchtlingsschiffe! Dieses Gesocks muss weg!“ Auch sie hat den Immigranten so recht nichts vorzuwerfen, außer dass sie „immer falsch parken“. „Bossi von der Lega – der hat die richtigen Rezepte. Wir müssen den Ausländern endlich zeigen, wer Herr im Haus ist.“

Jean-Pierre Pessou überraschen diese Sprüche nicht. Ein paar Straßenzüge von Veronetta entfernt hat der Togolese sein Büro, in dem er für die Gewerkschaft Immigranten berät. Als erstes zeigt er eine Narbe auf dem Unterarm – ein braver Veroneser Bürger hat den Schäferhund auf ihn gehetzt. „Wir werden als Arbeitskräfte gebraucht, aber nach Feierabend sollen wir uns in Luft auflösen. Das ist das Ideal der großen Mehrheit hier. Und die Unternehmer, die uns rufen, unterstützen zugleich die politischen Kräfte, die mit der Präsenz der Einwanderer ihr politisches Süppchen kochen.“

Pessou sorgt sich, dass es nicht bei Worten bleibt. Die Stadtpolizei rückt regelmäßig zu Schlagstockeinsätzen gegen afrikanische Straßenhändler aus, und nachts hat sie Auftrag, im Freien schlafenden Immigranten die Decken wegzunehmen. Derweil fordert Flavio Tosi von der Lega Nord, dass die städtischen Busse separate Eingänge für Italiener und Ausländer bekommen – Alabama an der Etsch.

Bei ihrer Arbeit für ein „sauberes Verona“ scheuen die Rechtsparteien das offene Paktieren mit Naziskins und faschistischen Organisationen nicht. Auf nationaler Ebene halten die postfaschistische Alleanza Nazionale und die Lega Nord offiziell Abstand zu Rechtsaußen. Veronas rechte Stadtspitze hat solche Probleme nicht. Pessou zählt allein für die letzten Monate ein langes Sündenregister auf: Immer wieder finanziert die Kommune Naziskinkonzerte, unterstützt sie Vorträge gegen die „Auschwitz-Lüge“ oder eine Buchausstellung „nonkonformistischer“ Naziverlage. Und als die Glatzen von der „Veneto Fronte Skinheads“ zusammen mit Aktivisten der NPD-Bruderorganisation Forza Nuova ein Komitee gegen „politische Justiz“ gründen, sind Flavio Tosi und Veronas Vizebürgermeister Luca Bajona von der Alleanza Nazionale dabei. Pessou spricht von Meinungsführerschaft der Rassisten und erinnert an den Skandal um Veronas Erstligamannschaft Hellas: Sonntag für Sonntag werden dort die afrikanischen Spieler niedergebrüllt. Die Spieler der gegnerischen Mannschaft wohlgemerkt – der Vereinspräsident von Hellas erklärte vor zwei Monaten, Veronas Team müsse ausländerfrei bleiben, denn schwarze Spieler könne er seinem Fanblock einfach nicht zumuten.

Diese Rechte ist heute schon in der Stadt und der Provinz Verona am Ruder, genauso wie in der Region Veneto. Und wenn sie die nationalen Wahlen am 13. Mai gewinnt? Pessou zuckt mit den Schultern. „Die Nacht ist lang, sehr lang. Aber irgendwann kommt der Tag.“