Nkosi Johnson ist tot

Südafrika trauert um seinen jüngsten und berühmtesten Aidsaktivisten, der gestern im Alter von 12 Jahren starb. Nelson Mandela: „Wie er mit dieser Krankheit umging, ist beispielhaft“

JOHANNESBURG taz ■ Er war Afrikas Aidssymbol. Millionen von Menschen waren gerührt, als Nkosi Johnson letzten Juli bei der Weltaidskonferenz in Durban ans Mikrofon trat und seine Botschaft in die Welt rief – die Botschaft eines aidskranken Kindes: „Wir sind normale menschliche Wesen. Wir können laufen, wir können sprechen.“

Um 5.40 Uhr gestern früh, ausgerechnet am Internationalen Kindertag, starb Nkosi im Alter von 12 Jahren im Schlaf. Präsident Nelson Mandela nannte ihn eine Ikone im Kampf ums Leben: „Wie er mit dieser Krankheit umging, ist beispielhaft.“ Südafrikas Parlament ehrte ihn mit einer Schweigeminute. Am 6. Juni ist eine Trauerfeier im FNB-Stadion bei Soweto geplant.

Anders als viele aidskranke Kinder in Afrika hatte Nkosi ein Zuhause. Im Alter von zwei Jahren wurde er von seiner weißen Pflegemutter Gail Johnson adoptiert. Seine Mutter war an Aids gestorben, der kleine Junge war mit der Krankheit geboren worden. Die Ärzte gaben ihm bei der Adoption neun Monate. Er lebte noch zehn Jahre.

Es ist in gewisser Weise ihm zu verdanken, dass Aids endlich mehr Aufmerksamkeit auf der ganzen Welt erhalten hat. Nach seinem Auftritt in Durban reiste der jüngste Aidsaktivist der Welt in Begleitung seiner Pflegemutter von Konferenz zu Konferenz . Er selbst hasste seine Krankheit, aber er wollte Unterstützung für die Opfer von Aids und verlangte dies mit außergewöhnlicher Willenskraft. Er kritisierte die umstrittene Aidspolitik des Präsidenten Thabo Mbeki und forderte Aidsmedikamente für schwangere Mütter, um das Übertragungsrisiko für ungeborene Kinder zu verringern.

Seine Pflegemutter half ihm, wird jedoch auch kritisiert, denn sie hat Nkosi vermarktet. Doch Nelson Mandela nannte sie eine „wundervolle Frau“. Sie hat mit Spendengeldern „Nkosi’s Haven“ eingerichtet, ein Heim für zwanzig Kinder und elf Mütter, die HIV-positiv sind. Und sie focht auch durch, dass Nkosi als aidskrankes Kind zur Schule gehen konnte. Nächste Woche will sie die „Nkosi Johnson Foundation“ ins Leben rufen, eine Stiftung zur Hilfe für Südafrikas Aidskranke.

In letzter Zeit war es um Nkosi ein wenig stiller geworden. Im Dezember war er zusammengebrochen und lag seitdem halb im Koma, unfähig, das Haus seiner Pflegemutter im Johannesburger Stadtteil Melville zu verlassen. Aber als er am 4. Februar seinen 12. Geburtstag feierte, überschwemmten Faxe und Glückwünsche sein Krankenbett. Er bekam ständig Besuch von Prominenten. „Wir sprachen über das Sterben“, sagte seine Pflegemutter kurz vor Nkosis Tod über die letzte Zeit: „Er hatte das Gefühl, er lasse mich hängen.“

Nun reiht Südafrika, das Land mit den meisten Aidsinfizierten der Welt, Nkosi Johnson in die Geschichte seiner Helden ein – eben auch kindliche Helden, etwa Hector Peterson, Ikone des Kampfes gegen die Apartheid, der am 16. Juni vor 25 Jahren beim Schüleraufstand von Soweto erschossen wurde. Das ist Vergangenheit, aber Nkosis Schicksal steht Millionen Kindern noch bevor. Viele davon werden allein sterben, als Waisen.

MARTINA SCHWIKOWSKI