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: Das Literaturfestivaltagebuch (2): Pfiffloses Gedenken

Der Wurf des Paparazzos

Es beginnt mit einem Klagegesang der stimmgewaltigen Farida, sparsam am Flügel begleitet. Dann nehmen Otto Sander und eine Dame Aufsitzung, während die israelische Exzellenz die erste Gedenkrede hält: Bei fast jeder Beerdigung und Hochzeit würden Amichais Gedichte rezitiert, so beliebt sei er gewesen, in dreißig Sprachen übersetzt.

Der nächste Gedenkredner, Martin Mooij, war erschüttert bei der Todesnachricht, der Körper des Dichters sei stundenlang im Rathaus aufgebahrt gewesen. Er selber habe niemals verstanden, warum Jehuda Amichai den Nobelpreis nicht bekommen habe, 1971 hatte er in Rotterdam Zahnschmerzen, war nett und schwamm jeden Morgen. Die Dame auf Hebräisch und Otto Sander auf Deutsch lesen Gedichte vor, schöne Metaphern: „die Worte seiner Mutter wie eingepackt in raschelndes Butterbrotpapier“. Angenehme, griffige und last but not least verständliche Lyrik. Wenn ich tot bin, möchte ich aber eine Trauerfeier mit etwas Pfiff, Filmen und nicht nur so Schlafmützenmusik und keine Rede länger als fünf Minuten.

„Sie fragen wenigstens“, meint Otto Sander. „Und mich wollen Sie nicht fotografieren?“, fragt die hebräisch gelesen habende Frau, die namentlich nicht im Programm auftaucht. Ich versichere ihr, bevor ich abdrücke, dass das Bild umso besser würde, je näher ich dran wäre, und dass man das Bild mit der I-Zone oft besser treffe, wenn man die Kamera nach dem Motiv werfen würde. Mein Bild beweist die Wahrheit dieser Aussage. FALKO HENNIG