Fröbel auferstanden

Kinder sollen von Geburt an gefördert werden, finden die Bildungsgutachter der Böckler-Stiftung. Dafür müssen Kindergärten zuverlässiger, besser, pädagogischer werden. Aber ohne Verschulung

von CHRISTIAN FÜLLER

Kinder des vorschulfähigen Alters nicht nur in Aufsicht zu nehmen, sondern ihnen eine ihrem ganzen Wesen entsprechende Betätigung zu geben; ihren Körper zu kräftigen, ihre Sinne zu üben und den erwachenden Geist zu beschäftigen; ... besonders Herz und Gemüt recht zu leiten. FRIEDRICH FRÖBEL, 1843

Friedrich Fröbel wäre richtig glücklich gewesen. Der vor allem in den USA als Gründer des „Kindergartens“ gefeierte deutsche Pädagoge hat gestern seine legitimen Nachfolger gefunden. Sie heißen Dieter Wunder, Eva Bamberg und Sybille Volkholz. Sie fordern, Kindergärten gründlichen zu reformieren. „Unser wichtigstes Ziel ist, aus Betreuungseinrichtungen echte Bildungseinrichtungen zu machen“, sagte Dieter Wunder in der Bundespressekonferenz. Wunder, ehemals Chef der GEW, gehört heute wie seine Mitstreiter dem Sachverständigenrat der Hans-Böckler-Stiftung an.

Aufbewahren reicht nicht, finden die Sachverständigen. Denn die frühkindliche Phase ab dem ersten Lebensjahr sei entscheidend für die Prägung von Menschen. Die Böckler-Gutachter leiten aus diesem alten und zugleich ganz neuen Ansatz weit reichende Forderungen ab: Der Staat solle die Teilnahme an Bildungs- und Fördermaßnahmen von Geburt an unterstützen; er solle das Kindergarten-Angebot ab drei Jahren so attraktiv gestalten, dass „möglichst alle Eltern davon Gebrauch machen“. Zudem solle eine Kindergartenpflicht ab dem 5. Lebensjahr bestehen – und gleichzeitig garantiert werden, dass das Bildungsangebot dann auch gratis ist.

Was unterscheidet einen pädagogischen Kindergarten von einer Aufbewahranstalt? Er entwickelt ein besonderes pädagogisches Profil. Etwa ist vorstellbar, dass sich eine bisherige Tagesstätte einen musischen Schwerpunkt gibt. Das heißt, dass die Kinder dann bei frühkindlichem Musikunterricht mitmachen können. Norbert Hocke, bei der GEW für Kindergärten zuständig, kann sich sogar sportliche oder naturwissenschaftliche Schwerpunktsetzungen vorstellen. So wie es heute bereits Waldkindergärten gibt, in denen die Kinder mit Leiterwagen, Rucksack und festen Schuhen durch den Wald ziehen, hätten alle Kitas ein eigenes Profil.

Die Sachverständigen gehen aber nicht so weit, einer Verschulung der Kindergärten das Wort zu reden. Vorbild für den neuen deutschen Kindergarten soll also nicht die französische école maternelle sein, in der nach Fächern regelrecht unterrichtet wird. Als Leitbild haben sich Wunder und die anderen die early excellence centers Großbritanniens gewählt. Das sind Kindertagesstätten, die an sozialen Brennpunkten Halbwüchsigen aus benachteiligten Familien die Chance zum Aufholen geben. „Es geht uns in den Kindergärten auch um die intellektuelle und kognitive Seite“, sagte Wunder. Entscheidendes pädagogisches Instrument ist daher: das Spiel.

Im Mittelpunkt der neuen Kindergärten sollen nicht Curricula, Lehrpläne und Pausenklingeln stehen, sondern die ErzieherInnen. Sie müssten viel besser ausgebildet werden als bisher. Erzieher sollen nach den Vorstellungen der Bildungsgutachter nicht nur fähig sein, Kinder zu aktivieren, sondern vor allem die Eltern mit einzubeziehen. Denn die Eltern sind auch bei den early ecellence centers der entscheidende Faktor, eigentlich sollen sie lernen, wie man ein Kind sozial, emotional und kognitiv stimuliert. Bei Böcklers haben die Eltern die organisatorische Aufgabe, die Qualität ihres Kindergartens mit zu entwickeln.

Die Sachverständigen verbanden ihren rosigen Zukunftsblick mit scharfer Kritik an der bisherigen Praxis. Die gesetzliche Verpflichtung, jedem Dreijährigen einen Platz zur Verfügung zu stellen, habe – aus Kostengründen – vielerorts zu Abstrichen in der Qualität und dem Abbau von Angeboten geführt. Aber so war das schon bei Fröbel. Der Vater streng, die Mutter früh gestorben, entwickelte er aus schwerer Kindheit das Modell eines idealen Kindergartens.