Links die Welt, rechts die Wand

Die „Junge Freiheit“ wird 15 und will ihr rechtsradikales Image loswerden. Ihr Chefredakteur Dieter Stein hat beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht, weil der Verfassungsschutz die „JF“ beobachtet. Doch die Behörde vermutet weiterhin „rechtsextreme Bestrebungen“

von RALF GEISSLER

Das Blatt ist völkisch, polemisch und nach Ansicht von Extremismusforschern gefährlich. Vielen Rechtsextremen ist es jedoch noch zu seicht. Die „Junge Feigheit“, sagen sie, sei zu angepasst, und ihr Chefredakteur Dieter Stein ein Duckmäuser auf „permanentem Anbiederungskurs“. Der Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Holger Apfel, wünschte Stein voriges Jahr eine „Konkurrenz in Gestalt einer wirklich nationalen Wochenzeitung“ an den Hals.

Stein, der am Freitag mit einer Sondernummer den fünfzehnten Geburtstag seiner Jungen Freiheit begeht, dürften die Schmähungen aus der äußersten rechten Ecke ganz gelegen kommen. Denn er will beweisen, dass sein Blatt ganz und gar nicht radikal ist. Gestern hat er beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht, weil die Junge Freiheit seit sieben Jahren vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beobachtet wird. Vor vier Jahren noch hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Beobachtung der Zeitung für rechtmäßig erklärt. Eine Berufung ließ das Oberverwaltungsgericht Münster nicht zu.

„Der Verfassungsschutz wird missbraucht, um den politischen Gegner zu gängeln“, sagt Stein. Beobachtet wird seine Zeitung wegen „tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremer Bestrebungen“. Das Behördendeutsch klingt etwas konstruiert, aber harmlos ist die Junge Freiheit bei weitem nicht. So durfte im Februar der Honorarprofessor der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität Günther Zehm schreiben: „Der Holocaust ist an die Stelle Gottes getreten. Über das hohe ‚C‘ im Namen von Parteien darf man spotten, aber an den Holocaust muss man glauben; wer Zweifel erkennen lässt, verschwindet hinter Gittern.“

Verständlich, dass der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, die Junge Freiheit das „Zentralorgan der Dummheit“ nannte. Stein meint jedoch, man müsse die Provokationen seiner Autoren ertragen: „Eine Demokratie muss das aushalten.“

Der Chefredakteur verkörpert den „Salon-Rechten“, dem selbst politische Gegner wie der Hamburger Extremismusforscher Wolfgang Gessenharter viel Intellekt bescheinigen. Gäste empfängt er stets im Anzug, seine Wut kleidet er in nüchternes Nachrichtendeutsch: „Der Bundestag spiegelt nicht das Meinungsbild der Bevölkerung wider und die Presse auch nicht.“ Und wer in der U-Bahn seine Zeitung lese, riskiere dumm angemacht zu werden. Vielleicht würden andere bei so viel Frust und Stolz mit der Faust auf den Tisch schlagen. Aber Stein ist kontrolliert: Nur manchmal erhebt er die Hand, um einen Satz zu unterstreichen.

Vor fünfzehn Jahren hat er die ersten 400 Hefte der Zeitung an einem Schulkopierer vervielfältigt. Derzeit verkauft er nach eigenen Angaben wöchentlich etwa 12.000 Exemplare. Mit denen bedient Stein die Grauzone zwischen rechtskonservativ und rechtsextrem. Sein Seiltanz ist der Grund, warum er sowohl von den Demokraten als auch von Neonazis zuweilen angefeindet wird.

Schon seit Jahren versucht das Blatt, vor allem über Interviews mit Prominenten aus der Schmuddelecke herauszukommen. So stand der Holocaust-Überlebende und Buchautor Ephraim Kishon der Zeitung ebenso Rede und Antwort wie Laurenz Meyer als CDU-Landtagsfraktionschef in NRW.

Diese Gespräche führt Moritz Schwarz, der das Gegenteil von seinem Chef ist: aufbrausend, energisch, wütend. Den Einstieg in den Journalismus fand Schwarz bei der Welt. „Aber ich fand es da so widerlich, dass ich froh war, als ich gehen durfte. Denen ist es doch egal, ob sie Socken oder eine Zeitung verkaufen.“ Stein ist so was nicht egal, und so hat Schwarz nach eigenen Worten seine „Perle der Zeitungen“ gefunden. Er kann hier alles schreiben.

Schwarz verkehrt die Realität einfach in ihr Gegenteil. Nicht die Migranten würden diskriminiert, sondern er. „Aber im Gegensatz zu den Negern sieht man mir den Diskriminierungsgrund nicht an.“ Der Innenminister Nordrhein-Westfalens will die Junge Freiheit bis zu einem Urteil auf jeden Fall weiter beobachten lassen. „Die Zeitung liefert bis heute immer wieder aktuelle Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremer Bestrebungen“, sagte Fritz Behrens gestern der taz. Wer Moritz Schwarz reden hört, ahnt, was er meint.