Mafiosi und Rechte verurteilt

Italienische Gerichte verknacken drei rechtsextreme Mörder und einen korruptenMafia-Richter. Dem Umfeld von Regierungschef Silvio Berlusconi ist das gar nicht recht

ROM taz ■ Zwei Gerichtsurteile vom Wochenende, die auf den ersten Blick kaum etwas miteinander zu tun haben, beschäftigen die italienische Öffentlichkeit. In Mailand wurden die Terroristen Delfo Zorzi und Carlo Maria Maggi von der rechtsextremen Organisation „Ordine Nuovo“ sowie ihr Helfer Giancarlo Rognoni wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt: Sie sollen am 12. Dezember 1969 an der Piazza Fontana in Mailand jene Bombe gelegt haben, die 16 Menschen tötete. Das Verfahren soll auch deshalb 32 Jahre lang verschleppt worden sein, weil italienische Geheimdienste und die CIA mit den Bombenlegern in Kontakt gestanden haben sollen.

In Palermo erhielt Corrado Carnevale, Richter am Kassationsgerichtshofs, in zweiter Instanz wegen „Unterstützung einer mafiösen Vereinigung“ eine sechsjährige Gefängnisstrafe: Er soll sein Amt dazu benutzt haben, hunderte Urteile gegen Mafiosi zu annullieren. Selbst Killer konnten bei ihm auf Gnade hoffen, wenn sich ein Formfehler im Urteil fand. Dass beide Prozesse gemeinsam diskutiert werden, ist das zweifelhafte Verdienst führender Vertreter aus Berlusconis Rechtsblock: Sie geißeln die vorgeblich politisierte Justiz.

Denn mit seinem Urteil unterbricht das Gericht von Palermo die lange Kette von Freisprüchen prominenter Angeklagter. Ob Exministerpräsident Giulio Andreotti, ob der führende Geheimdienstmann Bruno Contrada, ob der Forza-Italia-Politiker Francesco Musotto: Selbst bei Vorliegen zahlreicher Kronzeugen-Aussagen kam es nie zu Verurteilungen. Mafiosi waren anscheinend nur glaubhaft, wenn sie andere Bosse belasteten, nicht aber, wenn sie gegen Politiker oder Funktionäre aussagten.

Um so nervöser sind jetzt die Reaktionen aus dem Regierungslager. Gaetano Pecorella, Vorsitzender des Justizausschusses der Abgeordnetenkammer und zugleich Verteidiger des Rechtsterroristen Delfo Zorzi, sprach von einem „politischen Urteil“. Innenstaatssekretär Carlo Taormina vermutet eine Verschwörung: „Das Urteil zur Piazza Fontana direkt nach der Verurteilung Carnevales ist wieder mal der Beweis für den Zangenangriff Mailand–Palermo“. Die beiden Staatsanwaltschaften sind der neuen Regierung ein Dorn im Auge: In Mailand laufen seit Jahren Ermittlungen gegen Berlusconi wegen Bilanzfälschung und Korruption, und in Palermo steht Berlusconis Freund Marcello Dell'Utri vor Gericht.

MICHAEL BRAUN