„Wir bieten ,Bild‘-Online Paroli“

Das Satiremagazin „Titanic“ hat seit Sonntag einen eigenen Internetauftritt. Hackerangriffe fürchtet Chefredakteur Martin Sonneborn nicht. Die taz sprach mit ihm über „Bild“, böse Interviews, antizyklisches Verhalten und riesige Computer

taz: Wie viele Millionen hat euer Internet-Auftritt gekostet?

Martin Sonneborn: Das lässt sich noch nicht absehen, weil unser Verleger uns fortlaufend riesigste Computer-Anlagen aus Berlin vorbeibringt, gerade wieder einen gut erhaltenen Z1. Ich denke, es liegt auf jeden Fall im mehrstelligen Millionenbereich.

Ihr seid mit dem Netzauftritt spät dran. Später als die FAZ .

Wir verhalten uns antizyklisch. Als alle auf den Zug aufgesprungen sind, haben wir erst mal in aller Ruhe abgewartet. Nachdem sich das Internet aber als zuverlässige Geldvernichtungsmaschine bewährt hat, möchten wir nicht länger zurückstehen.

Was bietet ihr den Usern?

Im Prinzip das Gleiche, was wir auch im Heft bieten, nämlich verknöcherte und humorfreie Satire, politische Leitartikel, das Ganze schön spaß- und lustfeindlich, aber im Netz untermalt mit vielen blinkenden und hupenden Dingen, die Tatütata machen, wenn man draufklickt.

Gibt es nützliche Gimmicks?

Ja, es gibt natürlich Dinge, die sich im Heft nicht vermitteln lassen. Wir haben zum Beispiel oft Telefongespräche mit Prominenten abgedruckt, bei denen immer wieder die Frage aufkam, ob sie auch tatsächlich geführt wurden. Nun sind viele Gespräche aus Versehen mitgeschnitten worden, und die werden wir jetzt mal Zug um Zug ins Internet stellen.

Was und wen kann man da so hören?

Wir beginnen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der hat 1997 mal, nach Alkoholgenuss, in Seattle im Hotelbett gelegen, als ich ihn angerufen habe. Als Mr. Burlington „von the Labour Party“ habe ich dann ein recht sinnfreies Gespräch mit ihm geführt, über Politik, Weiber, Scharping. Und da haben sich nette Erkenntnisse ergeben; zum Beispiel Schröders Geständnis: „Ich kann gar nichts, nicht mal singen!“ Das charakterisiert ihn ja sehr schön – auch heute noch. Aber wir haben auch noch Gespräche mit Martin Walser, Peter Hahne, Ulrich Wickert, Lothar Matthäus und vielen bekannten Knalldeppen auf Halde.

Werden die Leute nicht unheimlich sauer auf euch sein?

Nein, das glaube ich nicht. Nehmen Sie Gerhard Schröder, er kann es sich mit uns nicht verderben. Schließlich sind wir seit Kohls Zeiten das Propaganda-Unternehmen, das Bundeskanzler aufbaut, stützt und wieder stürzt.

Gibt es auch Texte, die nur im Netz erscheinen?

Ja, alles was mit extrem technischen Internet-Anweisungen zu tun hat und mit der totalen Ausforschung der User. Darüber hinaus kann man Postkarten mit billigem Bürohumor verschicken und gehäkelte Bildschirmschoner herunterladen. Alles, was ich bisher gesehen habe, ist so händeringend langweilig, dass wir uns entschieden haben, ein paar Titanic-Sachen ins Netz zu stellen. Guido Westerwelle zum Beispiel als Bildschirmhintergrund.

Und damit wollt ihr Bild -Online paroli bieten?

Auf jeden Fall. Wir denken, dass das auf einen Zweikampf hinauslaufen wird. Bild auf der einen und Titanic auf der anderen Seite. Es gab ja in früheren Zeiten schon Berührungspunkte zwischen den beiden Blättern. Wenn ich da an die Kampagne der Bild-Zeitung erinnern darf, wo sie ihre Leser dazu aufgerufen hat, bei uns anzurufen, um uns ihre Meinung zu sagen. Wir haben die Beschimpfungen der Bild-Leser damals aus Versehen mitgeschnitten.

Das kann ja mal passieren.

Eben. Es ist auch noch was passiert, wir haben das hinterher auf CD gebrannt – aus Versehen. Und jetzt haben wir ein paar Bild-Leser auf die Homepage gestellt, die uns kräftig die Meinung sagen. Als Buße und zum Zeichen der Besserung.

Was ist mit Hacker-Angriffen?

Dagegen haben wir eine so genannte Firewall. In unserem riesigen Z1 hier würden sich Hacker doch glatt verlaufen, über den kommt hier niemand rein. Oder nicht wieder raus!

Noch ein kleiner Tipp für die Surfer, die eure Seite besuchen?

Sie sollten uns ganz oft besuchen und möglichst lange bleiben, denn es wird sich garantiert alles ständig und innerhalb von wenigen Stunden ändern – permanent. Außerdem: Seite geheim halten! Bitte!

INTERVIEW: HEIKO DILK