Der Abriss des Palasts wird immer wahrscheinlicher

Eine Ausstellung der Expertenkommission „Historische Mitte“ am Schlossplatz zeigt, wie seit zehn Jahren über seine Zukunft debattiert wird

Wiederaufbau des Schlosses? Abriss des Palasts der Republik? „Schwierig“, sagt Irene Mayer, die Diskussion sei wirklich „sehr schwierig“. Die Kunstgeschichtsstudentin der Humboldt-Universität steht vor den Stellwänden der Ausstellung „Historische Mitte – Schlossplatz – Ideen und Entwürfe 1991–2001“ im Staatsratsgebäude am Schlossplatz. Hier gibt die Senatsbauverwaltung einen Überblick über die Ideen und Entwürfe dazu, wie „die Leere im Zentrum“ gefüllt werden könnte, so Senator Peter Strieder (SPD) im Ausstellungskatalog. Beauftragt wurde sie von der Expertenkommission „Historische Mitte“, die bis Ende des Jahres Vorschläge zum Schlossplatz machen soll.

Die Experten schauen öffentlich auf zehn Jahre Streit zurück: Wie verlief die Debatte? Sind Tendenzen erkennbar? Hannes Swoboda, der Chef der Kommission, schritt gestern schon mal voran: Die Mehrheit in seinem Expertengremium sei gegen eine Kopie des 1950 gesprengten Stadtschlosses – aber auch darin einig, dass der Palast der Republik, derzeit nur noch ein Gerippe, mit einem mehrheitlich geforderten Gebäude im Grundriss des früheren Schlosses nicht vereinbar sei. Ist der Abriss des DDR-Paradebaus demnach schon beschlossene Sache?

Damit wäre man fast wieder am Anfang der Diskussion – denn bereits 1993, als der „Internationale Städtebauliche Ideenwettbewerb Spreeinsel“, ausgelobt von Bund und Land, durchgeführt wurde, war verbindliche Vorgabe: Der Palast muss weg. Stattdessen sollten dort das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium des Innern (BMI), eine Bibliothek und ein Konferenzzentrum entstehen. Wie die Ausstellung zeigt, prägte diese Vorgabe die Entwürfe: Groß und massig waren sie, vor moderner Architektur bestand keine Furcht. Das alte Stadtschloss als Fassade und Teilrekonstruktion spielte kaum eine Rolle – bis der Bund das Spiel durch den Beschluss beendete, das AA und das BMI doch in historische Bauten zu stecken: Über 1.100 Entwürfe waren praktisch für die Katz. Und Ruhe im Karton.

Angeregt durch den Tagesspiegel aber griffen Architekten ab 1996 die Debatte wieder auf. Nun wurden die Ideen verrückter, gewagter – Sir Norman Foster schlug etwa ein Ensemble von Riesenschirmen vor, die das ganze Areal überdachen sollten. Der Berliner Bernd Kühn plante eine leere Fläche voll Kanälen. „Mehr Demokratie, mehr Ratlosigkeit“ war der Wahlspruch. Im Mai 96 ergriffen erneut Bund und Land die Initiative: Sie schrieben ein europaweites „Interessenbekundungsverfahren“ aus und forderten zugleich, dass nun wieder ein Konferenzzentrum und Ausstellungsflächen entstehen sollten – öffentlich und privat finanziert. Auffällig ist, dass hier wieder häufiger das Schloss geplant wurde. Da aber auch diese Entwürfe nicht überzeugten, kam man auf die Schlosskommission.

Was wird daraus? Die Kunststudentin Irene Mayer zählt in ihrem Seminar über das Stadtschloss eine Mehrheit für dessen Wiederaufbau. Dann hätte sich gegenüber 1443 einiges verändert: Damals war die Mehrheit der Bürger gegen den Bau eines Schlosses für die Hohenzollern. Geholfen hat’s nichts.

PHILIPP GESSLER

„Historische Mitte – Schlossplatz“ im Staatsratsgebäude am Schlossplatz:Di. bis Sa. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr.Eintritt frei.