zwischen den rillen
: Psychedelic-Folk mit einer großen Tüte Pop-Appeal: Die Beta Band setzt auf die Schönheit der Repetition

Handclaps, bis die Finger bluten

Die größte Hoffnung im Meer musikalischer Mittelmäßigkeit sollen sie sein. Und die innovativste Band, die Großbritannien in den letzten fünf Jahren hervorgebracht hat. Jedenfalls schreiben das – in dieser Reihenfolge – der NME und der Rolling Stone. Das viele Lob gilt der Beta Band: Drei Schotten aus Edinburgh, einem Engländer aus Portsmouth. Vier Männer Ende 20, die Ende der 90er mit ein paar EPs auf sich aufmerksam machten, die sie allesamt nochmals als „The Three EPs“ herausbrachten.

Und dann hat John Cusack in der Rolle des Rob Fleming in „High Fidelity“ auch noch tüchtig Reklame für die Band gemacht, indem er im Film zum Ich-versteh-Musik-aber-die-Welt-nicht-mehr-Buch „The Three EPs“ werbewirksam in die Kamera hielt mit der Ankündigung, gleich fünf Exemplare des Tonträgers zu verkaufen, wenn er ihn nur auf den Plattenteller legte und spielte. Was folgte, waren zwei Minuten fünfundvierzig des Stücks „Dry The Rain“ – und nicht nur im Film ein Haufen Kunden, die das Album vom Fleck weg kauften.

Ihr reguläres LP-Debüt „The Beta Band“, das vor zwei Jahren folgte, war nachgerade wunderbar, wenn sich Folk und Psychedelic beherzt einhaken und dann Ringelreihen tanzten. Und wenn das Quartett den Sound von Maultrommeln und Schiffsglocken mit schlauen Samples verheiratete, war das prima Musik für Menschen, denen das Gesamtwerk von Ween zu nah am Mainstream und Beck nicht spinnert genug ist. Und dennoch: Ihr Mastermind Steve Mason betrachtet „The Beta Band“ heute als verpatzt – keine Struktur, zu viel des kontrollierten Durcheinanders. Die Tracks fransten aus, verloren sich im Irgendwo – da wurde das wohl inszenierte Tohuwabohu zuweilen zur Tortur. Gedaddel, Gedudel, Gedöns.

Nun also liegt das zweite komplette Album vor – ein Werk, bei dem schon der Titel naseweis um die Ecke biegt: „Hot Shots II“. Bedenkenträger aber können halb lang machen, denn „Hot Shots II“ ist de facto zum verdammt großen Wurf geraten. Geblieben als Konstante im Schaffen der Beta Band sind die mantraartigen Gesänge, die sich, gleichermaßen kontrolliert und intelligent, inmitten klug gesetzter Samples an sich selbst hochschrauben – dass es in „Dragon“ ein Sample aus dem bayerischen Gassenhauer „I bin der Dudlhofer“ setzt, ist in diesem Kontext ebenso stimmig wie schön schrullig. Als Konstante erweist sich auch das, was für die Beta Band die schönsten repetitiven Momente sind: Handclaps, bis die Finger bluten.

Erfrischend anders ist auf „Hot Shots II“ allerdings, dass die Songs nicht beliebig ausfransen, sondern allesamt Struktur haben: „Squares“ kommt mit einem lässig dahingeschüttelten Groove auf den orchestralen Punkt. In „Broke“ bringt ein forsch-technoider Synthie-Bass Zug in die Sache. Und „Quiet“ ist selbstredend alle andere als leise, wartet dafür aber mit einer unglaublichen Verdichtung von Mensch und Maschinchen auf: Steve Mason, der sich nach eigener Auskunft von allem – von „Tierfilmen, Autos und Bürgersteigen“ – inspirieren lässt, singt geradeaus, die diversen Gerätschaften rackern um die Wette. Psychedelic-Folk mit einer großen Tüte Pop-Appeal.

Die Beta Band hat sich selbst neu geortet, ohne den alten Standort komplett aufzugeben. Bange machen vor Klängen mit einem Mehr an Struktur gilt nicht mehr. „I’ve seen the demons but they didn’t make a sound“, singt Steve Mason im Opener. Was für eine erfrischende Erkenntnis. Die Hitparade kann kommen, die Beta Band ist bestens präperiert.

MARTIN WEBER

Beta Band: „Hot Shots II“ (EMI)