Milzbrand made in USA

Seit 1997 haben die USA geheime Experimente mit biologischen Waffen durchgeführt – natürlich ausschließlich zum Schutz und der Verteidigung der eigenen Bevölkerung

BERLIN taz ■ Gut einen Monat nachdem die USA in Genf einen Entwurf zur Kontrolle des Verbots biologischer Waffen zum Scheitern brachten, ist bekannt geworden, dass in den USA selbst seit Mitte der 90er-Jahre Experimente mit biologischen Waffen stattfinden. Die vom US-Verteidigungsministerium und dem Geheimdienst CIA durchgeführten Tests seien nach Regierungsangaben rein defensiver Natur und verstießen deshalb nicht gegen die Bestimmungen der Biowaffenkonvention von 1972.

Seit 1997 entwickelt das Pentagon genetisch veränderte Arten von Milzbranderregern (Anthrax). Offizielle Begründung: Andere Staaten hätten an solchen Erregern gearbeitet. Um sich mit neuen Impfstoffen adäquat schützen zu können, müsse der Erreger hergestellt werden – nur zu Forschungszwecken und daher im Einklang mit der Biowaffenkonvention.

Die CIA ihrerseits arbeitete seit rund vier Jahren daran, das Modell einer sowjetischen Bakterienbombe herzustellen – allerdings, so CIA-Sprecher gegen$über der New York Times, ohne die Bombe tatsächlich mit Bakterien zu bestücken und technisch funktionstüchtig zu machen. Es solle lediglich erforscht werden, wie die Minibombe aus sowjetischer Produktion tatsächlich funktioniere. Von der Existenz einer solchen Bombe wollen die USA durch Überläufer aus dem ehemaligen sowjetischen Biowaffenprogramm erfahren haben. Die Bombe könnte, so die Befürchtung, nach dem Zusammenbruch der UdSSR auf den Markt gelangt sein. Doch US-Geheimagenten sei es nicht gelungen, ein Exemplar zu kaufen, sodass die Herstellung eines Modells notwendig geworden sei.

Schließlich errichtete zur gleichen Zeit das Verteidigungsministerium in der Wüste von Nevada eine Biowaffenfabrik – und zwar ausschließlich mit ganz legal im Handel erhältlichen Materialien. Man habe zeigen wollen, dass potenzielle „Schurkenstaaten“ oder Terroristen mit einfachen Mitteln biologische Waffen herstellen könnten. Dadurch habe man sich über den Grad der potenziellen Bedrohung und mögliche Gegenmaßnahmen Klarheit verschaffen wollen. Da aber auch die Fabrik nicht mit tatsächlichen Kampfstoffen, sondern harmlosen Simulationen gearbeitet habe, verstoße auch dieses Projekt nicht gegen die Biowaffenkonvention.

Doch das internationale Misstrauen, das den US-Projekten entgegengebracht wird, ist in Washington nicht unbemerkt geblieben. Wenn irgendein anderer Staat solche Programme durchführe, argumentieren Kritiker, sähe er sich schärfster Kritik aus Washington ausgesetzt.

Ende Juli diesen Jahres sollte nach sechsjähriger Vorbereitung ein Zusatzprotokoll zur Biowaffenkonvention verabschiedet werden. Darin war vorgesehen, dass jedes Land jährlich seine nach der Konvention zur Verteidigung oder zum Schutz zulässige Forschung im B-Waffenbereich offenlegen sollte und internationale Expertenkommissionen Zutritt zu den Forschungsanlagen erhalten sollten. Die USA brachten das Abkommen in dieser Form zu Fall. Weder seien sie gewillt, die Geheimhaltung der Forschung aufzugeben, noch wollten sie möglicher Industriespionage im Bereich ziviler Forschung Tür und Tor öffnen.

BERND PICKERT

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