Bauchtanz ganz schlank

Die Tänzerin Laila El-Jarad ringt mit experimentellen Aufführungen um Anerkennung des orientalischen Tanzes jenseits des Bauchtanzes. Dafür investiert sie viel Kreativität und holt einen brasilianischen Tänzer und Live-Musiker mit auf die Bühne

von SONGÜL ÇETINKAYA
und KAREN HEINRICHS

Wenn Laila El-Jarad tanzt, räumt sie auf mit dem Schmuddelimage des „Bauchtanzes“ – geprägt durch beleibte Animationsdamen in billigen Kostümen auf drögen deutschen Betriebsfeiern. Der Begriff „Bauchtanz“ gefällt Laila schon nicht. „Das wird der Sache nicht gerecht und gibt dem Tanz nicht das richtige Image“, begründet sie und verwendet lieber die Bezeichnung „orientalischer Tanz“.

Die Art, wie Laila den orientalischen Tanz in Szene setzt, überrascht zunächst. Ihren schlanken, zierlichen Körper hüllt sie bei Auftritten in selbst entworfene Seidensaris. Nicht mit Strass und Glitzerschmuck behangene Plastikkostüme, die auf wohlernährte Damen zugeschneidert sind. „Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt sie schmunzelnd.

In der von ihr herausgearbeiteten Tanztechnik spart die 39-Jährige Folklore möglichst aus. Stattdessen flechtet sie Elemente aus Ballet, Modern, Flamenco und Tango ein. „Im orientalischen Tanz gibt es nur ein ganz kleines Repertoire an typischen Bewegungen“, sagt sie. „Das lässt viel Raum für Kreativität.“ In ihrer letzten Show „Lua/Sol – eine Begegnung“ tanzte Laila mit ihrem Partner, dem Brasilianer Murah Soares, ausschließlich nach Trommelrhythmen. Ein Orchesterschlagzeuger und zwei orientalische Trommler begleiteten die beiden. Somit ist Laila eine der wenigen orientalischen Tänzerinnen in Berlin, die mutig das Risiko eingeht, aufwändige Bühnenshows mit Live-Musik zu inszenieren. „In Berlin“, sagt sie, „kann man mehr ausprobieren als woanders. Hier gibt es ein großes Publikum, gerade auch für exotische Stilrichtungen.“ Für Anfang kommenden Jahres planen Laila und Murah ein weiteres Bühnenprojekt.

Ein anderes, großes Projekt von Laila nennt sich „La Caminada“. Das Tanzstudio hat die gebürtige Schwäbin vor sieben Jahren in Kreuzberg eröffnet und leitet es seitdem. 150 – meist deutsche – Tanzschülerinnen von 5 bis 50 Jahren gehen bei Laila und vier weiteren Tänzerinnen in die Schule ästhetisch erotischer Bewegungen. Und die Neugier auf Bauchtanz wächst. Die Lust auf Exotik sei in Berlin besonders hoch, sagt Laila: „Die Leute leben hier einfach enger mit dem Orient zusammen als woanders.“

Als Laila vor 19 Jahren aus Stuttgart nach Berlin kam, wusste sie: „Berlin ist der ideale Ort für mich, um zu tanzen.“ Im Gegensatz zu anderen Städten gab es in Berlin zu der Zeit schon zahlreiche Möglichkeiten für Laien, offenen Tanzunterricht zu nehmen. Tanzen war für Laila ein Mädchentraum, den ihr ihre Eltern nicht finanzieren konnten. Und obschon sie mit 20 keine Ballerina mehr werden konnte, begann sie neben dem Biologiestudium hartnäckig zu trainieren. Laila nahm Unterricht in Modern Dance und lernte den orientalischen Tanz kennen. „Das ist es“, entschied sie dann für sich.

Ihr palästinensischer Vater ignorierte jahrelang Lailas Entscheidung, nach dem Studium nicht als Biologin, sondern als Tänzerin ihr Geld zu verdienen. Denn in islamischen Ländern genießen Tänzerinnen keinen guten Ruf. Ausgenommen Ägypten und die Türkei – dort sind Bauchtänzerinnen in der Entertainmentbranche gern gesehen, doch nur solange sie nicht zur Familie gehören. Dies hängt wohl auch mit einer der Ursprungstheorien zusammen: Es heißt, dass früher Zigeunerinnen von Dorf zu Dorf zogen, um Männer für Geld zu unterhalten. Eine andere, weit verbreitete Theorie ist die des Geburtstanzes. Danach setzten Frauen im Orient den Bauchtanz ein, um die Wehen einzuleiten und die Geburt zu erleichtern. Tatsächlich gehen im La Caminada nicht selten schwangere Frauen ein und aus, die auf Anraten ihres Arztes Bauchtanzkurse aufsuchen.

Noch heute kann man als Solistin mit dem Bauchtanz schnelles Geld verdienen. Doch das ist nicht Lailas Sache. Sie will tanzen, solange sie kann, und sich dafür einsetzen, dass der orientalische Tanz die Achtung und Beachtung einer Kunstform erlangt. „Wenn es eine Chance für die Aufwertung des orientalischen Tanzes gibt“, so Laila, „dann in Berlin.“