„Es gibt jetzt diese Wut in den USA“

Hussein Ibish, Sprecher des American-Arab Anti-Discrimination Committee, zu den Übergriffen auf arabischstämmige Amerikaner. Das ADC, die größte Organisation ihrer Art in den USA, bietet bei Diskriminierung Rechtsberatung

taz: Seit den Anschlägen kommt es überall in den USA zu Übergriffen auf arabischstämmige Amerikaner. Zwei Menschen wurden bereits getötet. Was wissen Sie darüber?

Hussein Ibish: Wir wissen von 250 Vorfällen: Vandalismus, Schlägereien, Brandanschläge, Schüsse auf Moscheen und auch einige Morde. Zwei Fälle sind als Hate Crimes bestätigt, in mindestens vier anderen könnte es sich um solche handeln. Die Anschläge sind sehr willkürlich und spontan. Und sie geschehen überall in den USA, konzentrieren sich nicht auf bestimmte Regionen. Sonst wäre es für uns, aber auch die Polizei viel leichter zu reagieren.

Was wissen Sie über die Toten?

Bei einem Opfer handelt es sich um einen Sikh, der vor seiner Tankstelle in Mesa, Arizona erschossen wurde. Der Täter hat danach noch auf einen Libanesen und das Haus einer afghanischen Familie geschossen. Bei seiner Festnahme schrie er: „Ich habe es für Amerika getan.“ Das zweite Opfer ist ein Pakistaner. Er wurde in seinem Lebensmittelladen in Dallas, Texas erschossen. In allen anderen Fällen sind die Umstände noch nicht ganz klar, deshalb will ich dazu keine Angaben machen.

Wie reagiert die arabisch-amerikanische Community auf die Übergriffe?

Die Menschen haben natürlich Angst, Angst um die eigene Sicherheit. Und weil die Anschläge so willkürlich und spontan sind, wissen sie auch, dass es keinen wirklichen Schutz gibt, auch nicht von der Community oder den Behörden. Es gibt jetzt diese Wut in den USA und viele haben Angst, dass sich die gegen Amerikaner arabischer Herkunft richtet.

Schotten diese sich nun ab?

Die Leute machen sich große Sorgen. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Manche Leute leben ganz normal weiter, andere lassen ihre Geschäfte geschlossen, schicken die Kinder nicht in die Schule, manche verlassen das Haus überhaupt nicht mehr. Andere wollen diese Einschränkungen nicht hinnehmen und leben weiter wie bisher. Entscheidend ist, wie sicher sich die Leute in ihrer Umgebung fühlen. Die meisten Arab-Americans wurden bisher ja weder belästigt noch angegriffen.

Wird sich das ändern, wenn es wirklich zu einem Militärschlag der USA gegen Afghanistan kommt?

Das hängt davon ab, was passiert und wie es die Medien darstellen. Das Ganze ist auch ein strategisches Problem für die USA: Wenn sie einen spektakulären Militärschlag in der arabischen Welt führen und hier auf den Straßen gleichzeitig Menschen zusammengeschlagen und niedergeschossen würden, werden viele das als zwei Seiten derselben Medaille wahrnehmen: religiöse Intoleranz und Rassismus als Ursache der Hate Crimes und der Militäraktionen. Das ist sicher ein Grund, warum sich Präsident Bush so deutlich gegen diese Übergriffe ausgesprochen hat. Aber seit 30 Jahren werden Araber in Kino und Fernsehen als Terroristen dargestellt. Da fällt es schwer, das plötzlich anders zu sehen.

Auch während des Golfkrieges gab es Übergriffe auf arabischstämmige Amerikaner. Ist die Situation nun vergleichbar?

Damals war es ähnlich, nur ist es jetzt viel, viel schlimmer. Allerdings gab es keine Sympathiebekundungen und Unterstützung. Die bekommen wir jetzt.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE