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: Die Grünen entdecken Andy Warhol für Wahlplakate

Bunter waschen

Vor zwei Jahren war Warhol endlich bei den Grünen angelangt: In schrillen Popfarben, pink und quietschgelb, angelehnt an den Stil seiner Auftragsporträts leuchtete zur Wahlzeit in Berlin-Kreuzberg das Porträt des linksflügeligen MdB-Kandidaten Hans-Christian Ströbele von Wänden und Straßenschildern.

Noch etwa zwanzig Jahre vorher hatten die Grünen einen wunderschönen Wahlplakatentwurf des Popkünstlers strikt abgelehnt: zarte, lanzettförmige grüne Blätter und dazwischen der Schriftzug „Die Grünen“. Warhol hatte es ihnen auf Anregung von Joseph Beuys stiften wollen. Tatsächlich schienen die Polit-, Kunst- und Werbeästheten der Partei damals wohl sagen zu wollen: Wir sind nicht käuflich. Wir sind keine Tomatendose, keine Liz Taylor, kein elektrischer Stuhl, kein Brillo-Waschpulver. Im Westberlin der 80er-Jahre hatten die Grünen noch nicht zu Warhol gefunden, obwohl sie ihm gar nicht so unähnlich sind.

Das Gebilde Westberlin entwickelte sich in den 80ern immer stärker zu einer Art verkleinerten Ausgabe von New York oder einer Version der Factory als Stadthälfte. Zumindest bestätigten die Gäste aus New York den geschmeichelten Westberlinern diese Empfindung. Dass Warhols Popstar Lou Reed von schönen, romantischen Nächten in Berlin sang, womit er ausdrücklich Westberlin meinte, David Bowie im Schwulencafé „Anderes Ufer“ zwei Stunden verbrachte, wovon dort die nächsten zwanzig Jahre gezehrt wurde, gab der kunstschaffenden Szene ein Gefühl von Bedeutsamkeit. Nur hier, in diesem unwirklichen Film, dieser Welt am Draht, konnte sich jede und jeder narzisstisch Gestörte wie ein bedeutender Popstar vorkommen. Die kargen Einkünfte der zahlreichen unbekannten Popgrößen durch elterliche Zuweisung, Bafög, Kellnerjobs oder Arbeitslosengeld wurden in die Diskothek „Dschungel“ verbracht – in der Hoffnung, einen unauffälligen, heißt unbeobachteten Blick auf Brian Ferry, Nina Hagen oder Iggy Pop zu werfen.

Als anlässlich der großen Berliner Ausstellung mit Rauschenbach, Twombly, Beuys und Warhol in der Nationalgalerie der Meister selbst in der Westhälfte weilte, besuchte er das „DNC“, eine coole In-Disko, deren Betreiber möglicherweise in ihren Wohnungen alles mit Warhol-Postern tapeziert hatten. Doch Warhol wurde arrogant der Einlass verwehrt, man erkannte ihn schlicht und einfach nicht, sah nur einen pickligen, blassen Nobody. Ihn ereilte damals dasselbe Schicksal wie den Ökofreak, Hippie und Bartträger, der mit unpassendem Strickpullover Einlass begehrt hätte.

Es gab Menschen in Westberlin, die weinten, als schließlich 1989 die Mauer fiel, aber nicht aus Rührung, sondern ganz egoistisch aus Schock und Angst vor dem eigenen Verlust. Die Tür der schönen Factory stand plötzlich für jeden potenziell offen, das Konstrukt der „Mauerstadt“, das Leben im Film wandte sich plötzlich einer schnöden Realität zu. Die Banane, die das Cover der von Warhol produzierten Velvet Underground-LP zierte, quoll plötzlich aus allen Papierkörben.

Auf den Straßen des einigen Berlins hängen nun Waschmittelplakate. Aber nicht etwa von der Firma Brillo, deren Pakete Warhol als Siebdruckobjekt stapelte. Es sind die Wahlplakate der Grünen: Die saubere Alternative. WOLFGANG MÜLLER

Die Serie wird fortgesetzt.Mehr zur Ausstellung unter: www.warhol-retrospektive-berlin.de