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: Ist auf dieser Buchmesse alles ganz anders oder einfach ganz besonders normal?

Griechisch denken und essen

Man braucht kein Prophet zu sein, um genau zu wissen, was man in diesen Tagen in Frankfurt noch oft gesagt bekommen wird: Dies ist keine gewöhnliche Buchmesse. Man merkt das in der Praxis schon bei der offiziellen Eröffnung, bei der sich anders als sonst lange Menschenschlangen vorm Eingang zum großen Kongresssaal bilden. Es wird kontrolliert wie am Frankfurter Flughafen; die metallischen Gegenstände kommen ins Körbchen, Tüten und Taschen aufs Band, und überall stehen mehr oder weniger diskret Sicherheitsleute und Polizeibeamte und checken Umgebung und Menschen.

Diese Einschätzung zieht sich natürlich wie ein roter Faden auch durch die trockenen Eröffnungsreden, die sich fast alle auf den 11. September beziehen. Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth zitiert Hans Magnus Enzensberger, der in seinem 93er-Essay „Aussichten auf den Bürgerkrieg“ vom „autistischen Charakter der Täter“ gesprochen habe, findet aber, dass sich Griechenland als Schwerpunktthema für die diesjährige Buchmesse besonders eigne, von wegen der Idee der Polis, der Stadt als Forum der zivilen Begegnung unterschiedlicher Menschen. Julian Nida-Rümelin, der den kurzfristig in die USA gereisten Bundeskanzler vertritt, geht länger auf das „Stichwort des Kulturkampfes“ ein und weiß, dass in den nächsten Monaten und Jahren vor allem um einen „globalen normativen Minimalkonsens“ gerungen werden müsse. Und auch Griechenlands Staatspräsident Constantinos Stephanopoulos betont die „Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den Zivilisationen und der Rückkehr zu den traditionellen Werten und des Humanismus“. Alles schöne und richtige Worte, die allerdings nicht drüber hinwegtäuschen, dass die meisten der Anwesenden irgendwie erleichtert wirken, als Roland Ulmer, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, mit einem Gongschlag die Buchmesse für eröffnet erklärt.

Bei der sich anschließenden Eröffnung des griechischen Pavillons zeigt sich, dass es Brot und Spiele weiterhin in ausreichendem Maße geben wird. Da sind es die Infostände, an denen es Poster und Tüten und Kärtchen mit griechischen Motiven gibt, die gestürmt werden, und da ist wie auf Kommando der Andrang am griechischen Buffet am allergrößten.

Am Abend bei der Feier des Berlin-Verlags im Frankfurter Hof beschwört Berlin-Verlag-Leiter Arnulf Conradi einmal mehr die besonderen Bedingungen, unter denen die Buchmesse in diesem Jahr stattfindet, und bedankt sich insbesondere bei den amerikanischen Gästen dafür, dass sie sich nicht davon haben abbringen lassen, nach Frankfurt zu kommen; doch auch hier setzen sich die gewöhnliche Geschäftigkeit und Geschwätzigkeit durch: Der große Frank Schirrmacher schwebt durch die Salons Nummer 14 und 15, dies ist schließlich Frankfurt und nicht Berlin, dies ist der Frankfurter Hof und nicht der Blaue Engel. Es heißt, dass er die Wahl des Christian-Kracht-Buchs „1979“ zum Aufmacher der FAZ-Literaturbeilage durchaus entscheidend mitbeeinflusst habe. Und man redet darüber, dass Christian Kracht nun der Star dieser Buchmesse werden könnte, so wie beispielsweise Georg Klein im Frühjahr in Leipzig, fragt sich aber auch, ob die FAZ nun in dieser Hinsicht immer das Maß dieser Dinge sein muss. Und man fragt sich, ob manche Bücher gleich zu bedeutenden Büchern werden, nicht weil sie großartig sind, sondern einfach weil sie erstaunlich sind und erstaunlich gut in die Zeit passen. Fragen, die wie gewohnt offen bleiben, am Ende des Abends aber doch wieder beweisen: Dies ist keine gewöhnliche Buchmesse.

GERRIT BARTELS