Neue Freundschaft hat ihren Preis

Powell-Besuch in Pakistan: Muscharraf drängt auf kurze Militärkampagne und Einbeziehung gemäßigter Taliban in die künftige Regierung Afghanistans

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Islamabad bot am Dienstag ein weiteres Beispiel für die weltweiten Umschichtungen, die der 11. September verursacht hat. Vor diesem Datum war Pakistan ein internationaler Paria, von den USA durch einen dreifachen Ring von Sanktionen ausgegrenzt. Doch am Ende seines Besuchs in Islamabad am Dienstag pries der amerikanische Außenminister Colin Powell den bisher als Militärdiktator verfemten Pervez Muscharraf als „kühn und mutig“. Von Pakistan sagte er, es sei ein „guter Freund“, mit dem die USA über die gegenwärtige Militär-Allianz hinaus eine „dauerhafte Beziehung herstellen will, die in den nächsten Jahren aufblühen wird“. Er werde sich für einen Schuldenerlass für Pakistan einsetzen. Nur von der Wiederaufnahme von Waffenverkäufen scheint Washington vorläufig noch zurückzuschrecken.

Die gemeinsame Presse-Konferenz am Ende der Gespräche war aber auch ein Beweis, dass die neugefundene Wärme ihren Preis hat. Muscharraf gab zu, dass er sein Einverständnis zu Militärschlägen gegen Afghanistan gegen den Willen seines Volks gab, auch wenn Meinungsumfragen ihm eine Mehrheit für seine Krisenpolitik bescheinigen. Die Opposition, die sich am Montag mit einem Generalstreik und Demonstrationen in Karatschi und Quetta erneut in Erinnerung rief, zwang Muscharraf wiederholt, den dringenden Wunsch nach einer kurzen Militärkampagne zu betonen. Aber er machte die Beendigung ausdrücklich vom Erreichen der militärischen Ziele abhängig.

Im Zentrum der Gespräche stand aber nicht so sehr die Militärkampagne, sondern die politische Architektur eines nach-Taliban-Afghanistan, sowie Kaschmir. Beide Seiten waren sich einig, dass Afghanistan gemäß Muscharraf eine „breitabgestützte, multiethnische Regierung erhalten muss, welche die demographischen Konturen respektiert, und nicht durch Einmischung von außen“ gehindert wird. Für ihn gehören zu den Mitspielern der Ex-König Zahir Schah, Stammesführer, Exil-Afghanen, aber auch „Elemente der Nordallianz und gemäßigte Taliban“. Powell akzeptierte diese Liste, auch den Einschluss von Taliban. Auf eine pointierte Frage antwortete er, es gehe den USA um die Eliminierung eines Regimes; wenn es Personen im Umfeld dieses Regimes gebe, die sich an einem zukünftigen Wiederaufbau beteiligen wollten, könne er nicht dagegen sein. Die Vermutung eines Tauschhandels zwischen den USA und Pakistan liegt nahe: Washington akzeptiert die Idee eines Einschlusses ehemaliger Taliban, dafür ist Islamabad bereit, der Nordallianz eine Rolle zuzugestehen.

Powells Aufmerksamkeit richtet sich aber auch auf Pakistans Nachbarn im Osten. Seinem Besuch in Indien ging Kanonendonner voraus. In der Nacht auf Dienstag eröffneten indische Truppen das Feuer auf pakistanische Bunker im Niemandsland der Waffenstillstandsgrenze in Südkaschmir. Und der Außenminister befand sich auf dem Flug nach Delhi, als am Nachmittag einige hundert Kilometer nördlich heftige Artilleriefeuer ausgetauscht wurden. Beobachter in Delhi sind sich einig, dass Delhi mit dem ersten Feuerwechsel nach elf Monaten dem Besucher aus Washington signalisieren wollte, was es vom neuen engen Freund der USA hält.

Kaschmir wird zweifellos die Agenda von Powells Delhi-Visite beherrschen. Sein erstes Ziel wird es sein, zu verhindern, dass dieser Konflikt den Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition schwächt. Vor seiner Abreise aus Islamabad forderte er beide Parteien zur Wiederaufnahme des Dialogs auf und betonte gleichzeitig, dass dieser nur gelingen werde, wenn er nicht von Terror überschattet sei. Er schloss dabei explizit jede Form der Gewalt als Mittel zur Lösung dieses Konflikts aus. Die USA, sagte er, würden versuchen, bei dem Dialog „eine hilfreiche Rolle“ zu spielen.

Washington hatte bereits im Vorfeld des Besuchs die Organisation Jaisch e-Mohammed, die für das Selbstmordmassaker in Srinagar am 1.Oktober verantwortlich war, verboten. Indien wird sich damit kaum zufrieden geben und von den USA die Einlösung ihres Versprechens verlangen, Terror in allen seinen Formen und überall zu bekämpfen. Es wird einiges Finessieren vonseiten Powells verlangen, um den Gastgeber zu überzeugen, dass die enger gewordene Beziehung der USA mit Pakistan kein Freibrief ist für dessen Unterstützung des gewaltsamen „Freiheitskampfs“ in Kaschmir.