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: Golden Boys in Warhols glänzender Welt

Die Farbe der Sehnsucht

Am Gold entscheidet es sich. In der sakralen Kunst galt es jahrhundertelang als Gleichnis des Überirdischen, als Materialisierung des Geistes. Zugleich aber ist Gold ein Trick, eine glänzende Behauptung von Erhöhung und Wertsteigerung. Wo immer es auftaucht, lauert der Verdacht auf Etikettenschwindel. Gold zu machen ist die Sache der Scharlatane.

Ab 1957 – ein Jahr nach Andy Warhols erster Weltreise, die ihn auch nach Rom und Florenz gebracht hatte – begann das Blattgold zu fließen. Als Werbegrafiker hatte er wöchentliche Anzeigen einer Schuhfirma in der New York Times gestaltet, und bald tanzten vergoldete Schuhe über das Papier. Der Fuß von Margaret Rutherford und der Stiefel von Elvis Presley entstanden in Gold, die Konturen von Aktzeichnungen füllten sich mit dem Glanz antiker Schönheit, in „A Gold Book“ veröffentlichte er Zeichnungen auf Goldpapier und stellte „A Show of Golden Pictures“ aus. Später holt die Farbe des Kultes fast alle Ikonen ein: Marilyn Monroe, Jackie, Mona Lisa, Lenin.

„Der rote Hummer entfaltet seine Schönheit erst, wenn er ins kochende Wasser geworfen wird (. . .), und die Natur verwandelt Dinge, und Kohle wird zu Diamant, und Dreck ist Gold (. . .)“, sinnierte Andy Warhol in einem Kapitel über „Schönheit“, Teil des 1975 veröffentlichten Buches „von A bis B und zurück“. Da galt er schon lange als Experte für Schönheit, Sex, Ruhm und Geld, der als Werbegrafiker und Künstler zwei erfolgreiche Karrieren hingelegt hatte. In seinen Aphorismen mokiert er sich über diese angebliche Kompetenz und rät wie ein Briefkastenonkel: „Sex ist ohnehin auf dem Bildschirm und auf dem Papier erregender als unter der Bettdecke. Sollen die Kinder doch entsprechende Sachen lesen und sich darauf freuen. Aber sagt ihnen, kurz bevor sie dann wirklich zur Tat schreiten, dass sie den besten, erregendsten Teil nun bereits gehabt haben, dass er schon längst hinter ihnen liegt.“

Es ist nicht nur die Kunst und ihre Aura des Unerreichbaren, es ist das Begehren selbst, das im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit unter die Räder gekommen ist. Das hat Andy Warhol durchbuchstabiert wie keiner vor ihm. Er inszenierte das Erreichbare satt und bis zum Überdruss und setzte ins Bild, was alle haben wollten: eine schönere Nase, Dollarnoten, Coca-Cola, Marilyn Monroe, Waffen. Nimmt man den Titel wörtlich, gehören selbst die „Most wanted men“, für die er auf Fahndungsplakate des FBI zurückgriff, in den Kanon des amerikanischen Begehrens. Doch wer will, findet in der Verfügungsgewalt über die Ikonen auch die Beschleunigung ihres Rückzuges wieder. Je fester man zugreift, desto mehr entziehen sie sich. „Von Liebe träumen ist viel besser als Liebe in Wirklichkeit“, schrieb er. „Die erregendste Anziehungskraft besteht zwischen zwei Gegensätzen, die nie zusammenkommen.“

Dieser Gegensatz schimmert auf im vielen Gold, das im Werk Andy Warhols ebenso gut als Farbe der Sehnsucht gelesen werden kann wie als ironischer Verweis auf die tatsächliche Vergoldung seiner Arbeit und den wachsenden Wert auf dem Kunstmarkt. Doch der alten Bedeutung des Goldes, der Öffnung transzendenter Räume, kommt er dort noch einmal nahe, wo er dem Staub und dem Dreck am nächsten ist. In seinen „Shadow Paintings“ Ende der 70er ist viel mehr nicht zu sehen als eine Ecke Schatten oder auf das Blatt gewehter Staub. Sie nehmen Abschied vom absoluten Bekenntnis zur Oberfläche. Man glaubt glatt, einen schwarzen Berg vor goldenem Himmel zu sehen. Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren ist eben unverbesserlich. KATRIN BETTINA MÜLLER

Die Serie wird fortgesetzt.Mehr zur Ausstellung unter: www.warhol-retrospektive-berlin.de