Diese eine richtige Methode, eine Orange zu schneiden

■ Heute im Abaton: „Danach hätte es schön sein müssen“. Ein Interview mit der Regisseurin Karin Jurschick

Die 41-jährige Kölner Journalistin und Regisseurin Karin Jurschick rekonstruiert in Danach hätte es schön sein müssen ihre eigene Familiengeschichte: Ihre Mutter nahm sich 1974 mit 42 Jahren das Leben. Erst 1997 traf Jurschik ihren damals 89-jährigen Vater, einen ehemaligen Ingenieur, wieder. Nach einiger Zeit begann sie, seine Wohnung und ihre Gespräche mit ihm zu filmen. Karin Jurschick ist heute im Abaton zu Gast. Die taz hamburg sprach mit der Regisseurin.

taz hamburg: Wie ist die Idee zu dem Film entstanden?

Karin Jurschik: Es war schon ein Kinderwunsch von mir, dem unsichtbaren Krieg zwischen meinen Eltern eine Form zu geben. Im Moment des Sichtbarwerdens könnte es eine Veränderung geben – diese Vorstellung hatte ich. Ich habe versucht, für den Film eine Form zu wählen, in der jede Figur ihre eigene Wahrheit hat.

Wie konnten Sie Ihren Vater für das Projekt gewinnen?

Ich habe nicht gesagt: „Hör mal, ich möchte einen Film machen.“ Sondern – als ich das erste Mal nach ziemlich langer Zeit Kontakt aufgenommen habe – bin ich in die Wohnung gekommen, und es war beklemmend zu sehen, dass alles noch so wie früher war. Dann sagte eine Freundin zu mir: „Nimm doch mal eine Kamera mit.“ Und das habe ich getan, zunächst ohne das Ziel, einen Film daraus zu machen. Durch den „Schutzschild“ der Kamera, die gleichzeitig Distanz und Nähe ermöglicht, war ein Gespräch zwischen meinem Vater und mir möglich. Erst etwa nach einem Jahr habe ich mich für den Film entschieden. Es gab auf seiner Seite Ängste, aber auch Einverständnis.

Wie haben Sie die Bilder gefunden?

Ich habe erst – fast obsessiv – in der Wohnung meines Vaters gefilmt. Ich wollte dieser Wohnung ihre Geschichte abringen. Dann habe ich gemerkt, dass die Materie die Geschichte nicht einfach preisgibt und ich habe nach einer Struktur gesucht. Eine der wichtigsten Fragen war, wie meine Mutter einen Ort in dem Film findet. Dafür habe ich inszenierte Bilder gefunden.

Es gibt in dem Film einige Bilder, die durch ihre einfache klare Ästhetik eine starke Kraft haben, zum Beispiel, als Sie minutiös zeigen, wie Ihr Vater eine Orange schält.

Das mit der Orange ist wirklich eine sehr prägende Geschichte. Die Bilder sind aus der Beobachtung des Vaters entstanden. Ich wusste immer, dass er unheimlich präzise ist, und als ich dann wieder gesehen habe, wie er eine Orange schält, habe ich mich daran erinnert, dass es auch in meiner Kindheit genau diese eine richtige Methode gab, eine Orange zu schälen. Ich schäle sie immer noch so (lacht).

Interview: Antje Kroll

Preview in Anwesenheit von Karin Jurschik: heute, 20 Uhr, Abaton; der Film startet am 8.11.