Wenn Paul McCartney auf der Karotte kaut

Die Winkelzüge des walisischen Witzes: Die Super Furry Animals sehen in ihrem Humor das beste Mittel gegen die Tendenz zur Überhöhung des Pop

„Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyndrobwllantysiliogogogochgynygofod“ steht irgendwo vor einer Ortschaft in Wales geschrieben. „Das ist auch für einen Waliser nicht auszusprechen“, sagt Gruff Rhys, Sänger und Gitarrist der Super Furry Animals, über das längste Ortsschild der Welt. „Der Name ist von vorne bis hinten ausgedacht und nur dazu da, um Leute in die Gegend zu locken.“

Was der Tourismusbranche in Wales noch heute recht ist, war den Super Furry Animals schon vor Jahren billig. Die fünf Musiker notierten sich den Namen akribisch vom Ortsschild weg, pappten ihn auf ihre erste EP und waren fortan in den Tastaturen der englischen Musikpresse. „Man behält den Namen nicht wirklich“, grinst Gruff Rhys, „aber man vergisst ihn auch nicht. Jedenfalls haben alle gedacht, dass wir eine Message haben.“

Haben die Super Furry Animals aber nicht. Dafür legten sie sich im Verlauf ihrer Bandgeschichte einen ausrangierten Panzer zu, ließen ihn auf Blau umlackieren und entfernten das Kanonenrohr, rüsteten des Weiteren mit einer PA auf, und fortan wummerten auf Open-Air-Festivals fremde Techno-Tracks aus dem Kettenfahrzeug. Als ultimativen Tipp fürs Berühmtwerden im Speziellen oder für junge Menschen im Allgemeinen will Gruff Rhys den zweckentfremdeten Panzer aber nicht interpretiert wissen. „Wir sind ja damit nicht wirklich berühmt geworden“, meint er. „Und wenn überhaupt, dann lautet mein einziger Tipp: Wenn du das Haus verlässt, nimm deinen Schlüssel mit. Es ist dann auf jeden Fall einfacher, wieder reinzukommen.“

Vier Alben später – darunter mit „Gwang“ eine Platte, die komplett walisisch besungen ist – sind die Super Furry Animals den Panzer wieder los: Ex-Eagle Don Henley hat ihnen das Gefährt abgekauft. „Der steht jetzt bei ihm im Garten“, sagt Gruff Rhys bedächtig. Dabei scheint es, als drehe er jeden einzelnen Gedanken dreimal herum, bevor er ihn artikuliert. „Ich möchte aber an dieser Stelle betonen, dass wir keine Faxenmacher sind“, erklärt er schließlich. „Wir benutzen Humor nur, um uns selbst zu entmystifizieren. Wir basteln keine Aura um uns herum, und wir sind auf keinen Fall Popstars. Wir sind sehr ernsthaft, was unsere Musik anbelangt, und in unserer Welt sind wir sehr normal. Es kann schon sein, dass ein Eskimo uns nicht versteht – aber wenn er will, helfen wir ihm gerne.“

Man muss allerdings kein Bewohner des Polarkreises sein, um auf „Rings Around The World“, der neuen Platte der Band, neben wüsten Elektronik-Splittern und hemmungslos ausuferndem und trotzdem perfekt arrangiertem Pop auch jede Menge Sperrigkeit herauszuhören. Schwer zugänglich ist das fünfte Album der Waliser immer, langweilig ist es nicht eine Sekunde: randvoll mit verwegenen Sounds, Sentimentalitäten und Sarkasmus. „Receptacle For The Respectable“ etwa beginnt als Popsong mit lieblichen Harmonien und einem säuselnden Chor, wartet dann mit HipHop-Beats auf, variiert später Groove und Rhythmus und endet schließlich mit elektrischem Flirren und Geblubber in einem Klanginferno: ein Spiel ohne Grenzen.

Zu hören ist auf dem Song außerdem jemand, den die Super Furry Animals bei einer Preisverleihung kennen gelernt haben: Paul McCartney, mit dem sie auf dem Klo ins Gespräch kamen. Die Folge: Ein Sample des berühmtesten der verbliebenen drei Ex-Beatles, wie er an einer Karotte knabbert. „Wir haben lange herumexperimentiert“, beteutert Gruff Rhys, „aber Knoblauch war nicht laut und knusprig genug, und selbst mit schnittfesten Tomaten kriegt man keinen guten Rhythmus hin. Paul McCartney ist auf jeden Fall der weltbeste Karottenesser. Kann gut sein, dass er auf unserer nächsten Platte auch mal ein Instrument spielen darf.“

MARTIN WEBER

Tour: 15. 11. Köln, 29. 11. Hamburg, 30. 11. Berlin, 2. 12. München