Nanu, taz klagt nicht

Die Jahresanalyse: Mit 49.115 Abos steht die taz so gut da wie lange nicht. Warum das so ist, was es bedeutet und was jetzt passieren muss

Liebe Leserinnen und Leser,

zugegeben: Es war nicht immer so, dass die taz auf die Frage nach dem Befinden ohne Klagen antworten konnte. Heute können wir mal seufzerfrei sagen: Das Jahr war in Ordnung, die taz hat jetzt eine gute Chance für eine ökonomische Konsolidierung. Und dafür möchten wir uns bedanken bei Ihnen, den Leserinnen und Lesern, den Genossinnen und Genossen und allen, die dazu beigetragen haben.

Das Jahr der konventionellen Zeitungsverleger war schlecht, es wird gespart und entlassen. Die taz hat besser abgeschnitten, weil ihr größter Nachteil im Vergleich ein Vorteil war. Sie ist – relativ gesehen – weniger abhängig vom (heuer schlechten) Anzeigengeschäft und dafür mehr vom Verkauf der Zeitung. Der war okay: Wir nehmen das als Beleg, dass die taz gute Arbeit geleistet hat.

Die Aboauflage liegt heute bei 49.115. Das ist die höchste Zahl seit Beginn der Initiative „taz muss sein“ im vergangenen Herbst und überhaupt seit 1997. Es sind knapp 800 mehr als am Beginn des Jahres. Das besonders Erfreuliche: In der Vergangenheit büßte die taz im Jahr nach einer Rettungskampagne in der Regel besonders stark ein.

Auch der Einzelverkauf ist gegenüber 2000 im Plus. Das hängt mit dem 11. September zusammen, in dessen Folge der Kioskverkauf stark anstieg. Derzeit ist er immer noch um 36 Prozent höher als im Jahresdurchschnitt. Das liegt auch an Details: Manche Grossisten haben beispielsweise gemerkt, dass man mit der taz Geld verdienen kann.

Grundsätzlich gilt: „taz muss sein“ ist mehr als eine Rettungskampagne. Es ist eine mittelfristige Strategie, die die taz dauerhaft über 50.000 Abos bringen muss. Phase 1 war die wunderbare Initiative des vergangenen Herbstes. Sie hatte die durch die gesamte Gesellschaft gehende breite Unterstützung deutlich gemacht – und die Aboauflage von 42.205 auf einen zwischenzeitlichen Höchststand von 48.886 Ende März gebracht.

Phase 2 hatte das Ziel: Gut durchs obligatorische Sommeraboloch kommen. Statt wie sonst 1.000 verlor die taz etwa 800 Abos (von 48.370 auf 47.561). Zudem brachte die Aktion „Leihen Sie Ihr Abo aus“ Erfolg. 540 LeserInnen verliehen ihr Abo.

Nun befindet sich die taz in Phase 3, das ist der erneute Anmarsch auf die 50.000. Das wichtigste Argument beim Werben um neue LeserInnen ist nicht mehr die schiere Sicherung der Existenz, sondern der tägliche Nachweis in der Zeitung, dass taz sein muss.

Seit März 2000 verknüpft die „neue taz“ die Stärken von Tageszeitung (Aktualität) und Wochenzeitung (Reflexion) in ihrem Schwerpunktkonzept. Der dafür neu eingerichtete Schwerpunktpool mit Ressortleiter Carlo Ingelfinger arbeitet die relevantesten aktuellen Ereignisse auf einer ganzen Seite auf. Oder wie in Zeiten von Krieg und Terror auf so vielen Seiten wie nötig. Inzwischen missversteht kaum einer mehr die taz als „tägliche Wochenzeitung“. Erstens hat die Konkurrenz selbst (vorsichtig) nachgezogen, zweitens hat der für viele Orte erweiterte Redaktionsschluss einen Mangel behoben.

Fazit: 2001 konnte die taz nicht nur ihre inhaltliche, sondern auch die strukturelle Stärke erstmals voll ausschöpfen.

Trotz weiterhin begrenzter Mittel ist es zudem gelungen, (Ex-)KollegInnen von besser zahlenden Zeitungen (zurück)zugewinnen, um mit ihnen die weitere Qualitätssteigerung wichtiger Bereiche voranzutreiben. Das heißt nicht, dass es jetzt hier mehr Geld gibt, es heißt, dass die Kollegen weniger akzeptieren, weil ihnen die taz wichtig ist.

Wir finden: Das ist ein weiteres Mut machendes Signal für 2002. Heute haben wir 49.115 Abos. Es wird höchste Zeit, dass die Schallmauer 50.000 endlich fällt. Denn: Sie ist ja nicht das Ziel, sondern die Basisstation, von der aus die taz weitersteigen will und muss. Das wird dann Phase 4 von „taz muss sein“ sein.

Wir wollen ja nicht klagen: Aber vorher braucht die taz noch genau 885 neue Abos.