Goldfarbene Phalli in der hohlen Hand

Wundersame Nachrichten aus Indien: Wie Doktor Friedbert Pflüger einmal auf den größten Guru aller Zeiten traf

PUTTAPARTHI/BANGALORE taz ■ Doktor Friedbert Pflüger, CDU-Mitglied und -Bundestagsabgeordneter, bereiste unlängst Indien. Gut, möchte man meinen, wenn Politiker ihren Horizont erweitern. Auch dann, wenn sie dies auf Kosten des Steuerzahlers tun. Peinlich indes, wenn ein Hinterbänkler wie Doktor Friedbert Pflüger sich, fernab der Heimat, in Größenfantasien ergeht und sich von der renommierten Times of India als heißer Tip für eine künftige Kanzlerschaft feiern lässt. Oder sollte da übernatürliche Erkenntnis im Spiele gewesen sein?

Doktor Friedbert Pflüger (46) ließ es sich jedenfalls auf seiner Reise quer durch Südindien nicht nehmen, dem laut Selbstbekundung „größten Guru aller Zeiten“ seine Aufwartung zu machen: „Seiner Heiligkeit Sri Sri Sri Baghawan Sathya Sai Baba“, jenem schrägen Vogel aus Puttaparthi, der in knallorangen Klamotten und mit schwarzgefärbter Afromatte seit gut 50 Jahren sein Unwesen treibt. 76 Jahre alt ist der Sai, der selbsternannte „Lord of the Universe“, mittlerweile, doch noch längst nicht müde der spiritistischen Zirkusshow, die er da seit Jahrzehnten tagtäglich inszeniert. Tausende Anhänger werden nach wie vor jeden Tag in seinen Ashram „Prasanthi Nilayam“ gekarrt, drei Autostunden nördlich von Bangalore, weltweit verfügt er über ein milliardenschweres Imperium mit zig Millionen zahlungskräftiger Gläubiger. Er ist sozusagen der letzte aus der Riege der Nachthemdgurus – Muktananda, Bakhtivedanta und Rajneesh sind längst ins Nirvana abgetreten und Maharishi Mahesh Yogi tut’s wohl auch nicht mehr lange –, die seit den Siebzigerjahren westliche Sektenbeauftragte in Angst und Schrecken versetzten.

Sai Baba ist immer noch da. Und wie. Unlängst hat er sich in die südindische Pampa einen eigenen Flughafen bauen lassen, auf dem seine Anhänger direkt vor der Haustüre Prashanti Nilayams landen können. Mit dem Airbus 320.

Völlig unangefochten von aller Kritik – Sai Baba wird von vielen als „größter Betrüger und Hochstapler aller Zeiten“ bezeichnet – zieht er wie seit je die Massen in seinen Bann. Mit den simpelsten Zauberkastentricks und den dümmsten Sprüchen. So beeindruckt er seine Anhänger heute noch damit, dass er ihnen Ringe hinter dem Ohr hervorzaubert oder „Heilige Asche“ aus seinem Ärmel rieseln lässt. Gern lässt er auch goldfarbene Phalli in seiner hohlen Hand erscheinen, die er dann im Auditorium verteilt. Bevorzugt an junge Knaben, die er anschließend in Privataudienz empfängt. Vor gut einem Jahr haben ehemalige Schüler ihn sexueller Übergriffe geziehen, die Sache wurde indes von den örtlichen Behörden sehr schnell niedergeschlagen: Der Südwesten des Bundesstaates Andhra Pradesh gehört praktisch dem Sai-Imperium. Auch der Tod von sechs Schülern vor ein paar Jahren, die von der Ashrampolizei erschossen worden waren – angeblich hatten sie ein Attentat auf den Guru geplant –, wurde nie richtig geklärt.

Doktor Friedbert Pflüger zeigte sich sehr angetan von dem „Göttlichen“. Vielleicht gefielen ihm dessen Sprüche über Ordnung und Sauberkeit und über die Pflicht, absoluten Gehorsam gegenüber der jeweiligen Obrigkeit zu zeigen. Nichts bringe schlimmere karmische Frucht, so der allwissende und allgewaltige Sai, als Ungehorsam. Wichtig sei zudem, stolz zu sein auf das eigene Vaterland. „Mir gefällt seine Lehre“, teilte Doktor Friedbert Pflüger der Times of India mit, und dass Indien dringendst Lehrer brauche wie Sai Baba. Und einen deutschen Kanzler Doktor Friedhelm Pflüger, der sich auskennt auf dem indischen Subkontinent. Indien, so ließ er die Times of India wissen, „mit seinen unterschiedlichen Menschen ist mehr als ein Land, es ist ein Subkontinent.“

Die Times of India zeigte sich beeindruckt von den geographischen Kenntnissen des „German Leader“ und widmete Doktor Friedbert Pflüger eine viertel Seite. COLIN GOLDNER