Der Sample-Revolutionär

Dreist kommt weiter: Der Produzent Arthur Baker stand Pate an der Wiege des HipHop. Die Doppel-CD „Breakin’ “ versammelt Arbeiten aus 20 Jahren zur Werkschau zwischen Old Skool und New Skool

von MAX DAX

Arthur Baker, coole Sau. War dabei, als HipHop Ende der Siebziger in der Bronx losging, und produzierte 1982 Afrika Bambaataas „Planet Rock“, einen generationenprägenden Elektrotrack, der allein genügt hätte, um diesem weißen Bostoner DJ und Exschallplattenverkäufer einen Platz in den Erinnerungen an goldene Zeit zu sichern. Arthur Baker, von dem es heißt, dass er Schallplatten, zu denen die Leute nicht tanzten, einfach weggeschmissen hat, war nicht der Erste, der das Sampling in die Musik einbrachte, aber er tat es mit der Überzeugung eines Revolutionärs: Dreist klaute der stämmige, Bart tragende Baker ganze Taktfolgen von Kraftwerks „Trans Europa Express“, um sie in „Planet Rock“ prominent wiederauftauchen zu lassen. Noch dreister webte er die signifikante Gitarre aus dem Prince-Hit „Kiss“ in den 1987 von ihm produzierten Track „Put The Needle To The Record“ des Criminal Element Orchestras ein. Einer seiner größten Würfe jedoch war 1981 der Hit „Confusion“, eine beeindruckend nervöse Elektro-Disco-Nummer und zugleich der Beginn einer bis heute anhaltenden Männerfreundschaft zu Bernard Sumner, dem Sänger von New Order.

Als New Order Ende November zwei Konzerte in Deutschland gegeben haben, war Arthur Baker folgerichtig als DJ dabei. „Ich habe kein Geld damit verdient, nur Spesen“, unterstreicht er den Charakter des Betriebsausflugs. Baker sitzt in seinem Kölner Fünf-Sterne-Hotelzimmer mit Blick auf den Rhein und verschlingt in vier Hapsen eine Portion Tagliatelle mit halbem Hummer. „Sich Zeit zu nehmen für etwas, das man gerne tut, ist der größte Luxus, den man sich leisten kann.“ Mitte der Achtzigerjahre hatte Baker das noch ein bisschen anders gesehen und damit begonnen, die vielen selbst verdienten Dollars in Kokain und Alkohol und somit ein Leben in Halbwertzeiten anzulegen – und wäre dabei fast auf der Strecke geblieben. Überwunden hätte er seine Drogensucht erst in dem Moment, sagt Baker, wo ihm klar geworden sei, dass er zum Sklaven des Geldes geworden wäre. Seinem damals gefassten Entschluss, nie mehr Musik als Dienstleistung zu produzieren, habe er es zu verdanken, dass er die Kurve gekriegt habe. „Und genau deswegen sitze ich heute auch hier.“

Das Interview gibt Baker dann allerdings doch aus Gründen der Geschäftsraison: Auf dem britischen Perfecto-Label ist kürzlich mit „Breakin’ “ eine Doppel-CD mit 27 Tracks veröffentlicht worden, an denen Arthur Baker direkt oder indirekt mitgearbeitet hat. Die „New Skool“ betitelte erste CD versammelt Gemeinschaftsproduktionen und Remix-Arbeiten, die in den letzten Jahren entstanden sind, darunter Zusammenarbeiten mit Felix Da Housecat, Timo Maas oder den Utah Saints. Seismografisch halten diese 16 Tracks fest, dass die Tanzmusik der späten Neunziger und zu Beginn des neuen Jahrtausends Züge einer Geheimwissenschaft trägt. Club-Tracks, ob es sich nun um ein Two-Step-Stück wie „Jamaica, C’mon“ handelt oder um eine Techno-Nummer wie „Different Styles“, haben den Gesetzen ihrer Genres zu folgen, sonst finden sie nie Eingang in die Sets der DJs. Als Reihung von 16 Tracks auf einer CD ist das in der Konsequenz trotz vieler Höhepunkte eher anstrengend anzuhören und entwickelt nur sehr laut gespielt den gewünschten Effekt. Ganz anders verhält es sich mit der „Old Skool“ betitelten zweiten CD, einer nostalgischen Reise in die Zeit vor der Ausdifferenzierung der Clubmusik: Elektroklassiker wie Afrika Bambaataas „Looking For That Perfect Beat“, Deep-House-Nummern wie Will Downings Coltrane-Adaption „A Love Supreme“ oder gelungene Kommerzarbeiten wie Bakers House-Rework von Fleetwood Macs Welthit „Big Love“ sind auf die altmodische Art zu einem Mix verfugt worden, wie er schlüssiger kaum sein könnte. Altmodisch, denn statt inspirierter, geschmackvoll-sauber gemischter Übergänge zwischen den einzelnen Tracks gibt es blitzsaubere Breaks. Eine Nummer hört auf, schon ist die nächste da, im gleichen Beat, die Methode ist ebenso effektiv wie geradlinig. Vor allem aber zeigt die „Old Skool“-Mix-CD, auf der natürlich auch „Confusion“ und „Planet Rock“ enthalten sind, mit welch bestechender Direktheit einstmals Clubmusik produziert wurde.

Seinen Plan, spät nachts noch durch Clubs zu ziehen, verwirft Arthur Baker nach der Kölner Show dann doch noch. Am Abend zuvor war er mit Bernard Sumner bereits im Berliner Cookie’s versackt, davor in London, die vorangegangenen drei Nächte in Manchester. Die Hotelbar des Hyatt mit ihrer leisen Kaufhausmusik, edler Zigarrenauswahl und gepflegtem Weinsortiment ist da eine willkommene Alternative für die müden alten Knochen. Dort hat sich Arthur Baker mit Andreas Reihse verabredet, einem Mitglied der deutschen Elektronika-Gruppe Kreidler. Baker: „Seit es das G4-Powerbook gibt, arbeite ich auf Reisen mit den unterschiedlichsten Musikern zusammen. Wir werden uns noch alle wundern, zu was für unglaublichen Ergebnissen diese Möglichkeit führen wird, unterwegs spontan Kolaborationen mit anderen Musikern einzugehen. Das hier ist erst der Anfang.“ Einer Revolution etwa? „Ja, und zwar einer Revolution ähnlich der Erfindung des Tonstudios.“

Arthur Baker: Breakin’ (Perfecto/PIAS)