Platzt das NPD-Verbot?

Bundesverfassungsgericht setzt alle Verhandlungstermine über NPD-Verbot im Februar ab. Zeuge der Bundesregierung war langjähriger NPD-Aktivist und zugleich V-Mann des Verfassungschutzes

FREIBURG taz ■ Das Verbotsverfahren gegen die NPD ist vorerst geplatzt. Das Bundesverfassungsgericht hat gestern alle fünf für den Monat Februar geplanten Verhandlungstermine „aufgehoben“. Der Grund: Eine der wichtigsten zum Verfahren geladenen „Auskunftspersonen“ war offensichtlich ein Spitzel des Verfassungsschutzes.

Gestern Nachmittag kurz nach 16 Uhr ließ das Bundesverfassungsgericht die Bombe platzen: Ein langjähriger NPD-Aktivist, dessen Äußerungen von der Bundesregierung und den anderen Antragsstellern mehrfach als Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Partei angeführt worden war, stehe im Sold des Verfassungsschutzes. Damit aber war plötzlich fraglich geworden, ob die belastenden Äußerungen dieses Zeugen der NPD überhaupt noch zuzurechnen sind.

Um welchen Zeugen es sich handelt, ist bisher noch nicht bekannt. Namen gab das Gericht nicht bekannt. Es beschrieb die Person lediglich als „langjähriges Mitglied des Bundesvorstandes und des Vorstandes eines Landesverbandes“ der NPD. Eine Beschreibung, die zum Beispiel auf Steffen Hupka zutrifft, eine der vierzehn vom Gericht geladenen Auskunftspersonen. Er wurde jüngst erst aus der NPD ausgeschlossen.

Die NPD selbst wurde von der gestrigen Nachricht ebenfalls überrascht. Auch sie konnte gestern zuerst nicht sagen, um wen es sich handelt. Die NPD-Führung trat nach Angaben ihres Anwalts Horst Mahler zu ersten Beratungen zusammen. Erst am späteren Abend wollte der Parteivorsitzende Udo Voigt eine Erklärung abgeben. Voigt hatte wiederholt betont, die vermeintlich von der NPD ausgehende Gewalt werde erst vom Staat in sie „hineingetragen“. Schon in den letzten Jahren wurden mehrfach hohe NPD-Funktionäre wie Norbert Dienel oder Carsten Szczepanski als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes enttarnt. Die Partei hatte auch angekündigt, in der mündlichen Verhandlung werde sie weitere Staatspitzel enttarnen.

Wie es nun weitergeht, ist derzeit völlig unklar. Die fünf für Februar vorgesehenen Verhandlungstage fallen jedenfalls ersatzlos aus. Ob es überhaupt neue Termine geben wird, ließ der Zweite Senat unter Jutta Limbach gestern offen. Der neue Sachverhalt werfe komplizierte „Rechtsfragen“ auf, hieß es. Die Richter überlegen sogar, ob es überhaupt richtig war, das Verbotsverfahren zuzulassen.

Die Nachricht vom Staatsspitzel in der NPD-Spitze war dem zuständigen Richter Hans-Joachim Jentsch zuvor telefonisch von einem Abteilungsleiter des Bundes-Innenministeriums mitgeteilt worden. Der Spitzel soll aber nicht für die Verfassungsschützer des Bundes, sondern für ein Landesamt für Verfassungsschutz gearbeitet haben. Um welches Landesamt es sich hierbei handelt, ist nicht bekannt. CHRISTIAN RATH

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