Lektion in der Liebe

Es musste der Smoking sein, gemietet für 59,95 Dollar bei „Gary’s Tux“: Mit Michelle Pfeiffer bei den Golden Globes

Es ist noch gar nicht so lange her, da glaubte ich, ich würde Zeuge, lebendig & leibhaftig Zeuge, wie Michelle Pfeiffer sich in mich verliebt. Es war im Trader Vic’s, einem kleinen Restaurant hinter dem Beverly Hilton Hotel, in dem die Golden-Globes-Festlichkeiten stattgefunden hatten. Ich weiß nicht mal mehr, ob Michelle Pfeiffer einen der Preise erhielt.

Die Show war vorüber und manche der Preisträger saßen hier noch mit Freunden – und sie saß mir gegenüber, keine zehn Kaminstreichholzlängen entfernt, und sah her, sah lang her und lächelte mich an. Sie wandte sich kurz ab, um mit einer anderen Schauspielerin zu sprechen, sah dann wieder her. Beide sahen her. Aber ich, das wusste sie hoffentlich, antwortete nur ihren Blicken. Ich dachte, was kann es sein? Es muss mein Smoking sein, der Smoking, den ich mir für 59,95 Dollar bei „Gary’s Tux“ gemietet hatte und den ich übers Golden-Globes-Wochenende behalten durfte. Wenn Michelle Pfeiffer weiter so herblickt, dachte ich, könnte er morgen nochmal zum Einsatz kommen. Ich lächelte zurück und versuchte meiner Begleiterin, die natürlich auch sah, was sich da abspielte, zu erklären, dass es mein Smoking sein muss.

Michelle Pfeiffer war in mich verliebt, das sagte ihr Blick, ganz eindeutig. Ich dachte: Klar, Michelle hat alles erreicht, in Hollywood hat sie alles erreicht, heute verabschiedet sie sich und wird mir jetzt Bücher schreiben helfen – von Federn versteht sie ja viel – und ein zurückgezogenes Leben führen. Und dann … kam Steven Spielberg dazu. Das war natürlich das Ende, das sah ich sofort. Der hatte, klar, der hatte den besseren Smoking. Pfeiffer wandte sofort ihren Blick ab, als hätte ich nie existiert, als kennte sie mich nicht, als hätte ihr Blick mich nie auch nur gestreift. Sie wandte sich ganz Spielberg zu, Spielberg setzte sich neben sie, sie tuschelten hin und her. Dann – es war furchtbar – dann fiel Michelles Blick wieder auf mich, und … wieder dieses erkennende Lächeln, mit dem sie mich festhielt. Um ein Haar wäre ich aufgestanden, wäre die zehn Kaminstreichholzlängen zu ihr rübergekrochen, wenn nicht … wenn nicht zu ihrem Blick auf mich, ihrem verliebten Lächeln, sich Spielbergs Blick und jetzt auch Spielbergs Lächeln hinzugesellt hätte, als sei er … ebenso verliebt. Es war peinlich, peinlich und erschreckend, was ich in beider Blick las: Verliebtheit, fast Gier jetzt, von beiden. Pfeiffers Verliebtheit überwog vielleicht noch – aber im ersten Moment, da mich dieser Doppelblick traf, war ich so erschrocken, so erstaunt über das, was er insinuierte, dass ich das Champagnerglas umstieß, mit nassen Oberschenkeln aufstehen musste.

Und da – da kam die Lektion, auf die ich hinweisen wollte. Als ich nämlich aufstand, sah ich, dass hinter mir, knapp über meinem Kopf in der Ecke der Sitzbucht, ein Fernsehmonitor aufgebaut war, auf dem die Show, die Golden-Globes-Preisverleihung, nochmals ablief. Von Spielberg war also nichts zu befürchten – und Michelle Pfeiffer hatte die ganze Zeit nur sich im Blick gehabt. PATRICK ROTH

Patrick Roth ist Schriftsteller, lebt in Los Angeles und hält gerade die Frankfurter Poetikvorlesungen. Zuletzt erschien der Erzählungsband „Die Nacht der Zeitlosen“ (Suhrkamp Verlag)