Siemens will AKW in Brasilien

Für den Bau des zweiten deutsch-brasilianischen Atomkraftwerks Angra III hofft der Konzern auf die Absicherung durch eine staatliche Hermesbürgschaft. Planungen werden fortgesetzt. Bundeswirtschaftsministerium hält Entscheidung offen

von GERHARD DILGER

Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder heute in Brasilien landet, wird ihn ein heikles Thema beschäftigen: die atomare Zusammenarbeit. Weder Schröder noch Präsident Fernando Henrique Cardoso haben Interesse daran, viel Aufhebens um den geplanten Bau des Siemens-AKW Angra III in Brasilien zu machen, für den die Chancen so gut stehen wie schon lange nicht mehr.

Mitte 2000 wurde an der malerischen Küste zwischen Rio de Janeiro und São Paulo das ebenfalls von Siemen errichtete Atomkraftwerk Angra II in Betrieb genommen – genau 25 Jahre nach Unterzeichnung des Atomabkommens zwischen der sozialliberalen Regierung unter Helmut Schmidt und den brasilianischen Militärs. Die Baukosten von rund 10 Milliarden Dollar sind für ein Zehntel der öffentlichen Auslandsschulden Brasiliens verantwortlich. Nun drängt die Atomlobby auf den Bau des Zwillingsmeilers Angra III.

Bestärkt fühlt man sich durch die Energiekrise in Brasilien, das über 90 Prozent seines Stroms aus Wasserkraftwerken bezieht. Wegen spärlicher Regenfälle und Fehlplanungen bei der Teilprivatisierung des Energiesektors wird seit Juni 2001 im ganzen Land Strom rationalisiert und gespart. Im Bundesstaat Rio habe Angra II mit seiner „überdurchschnittlichen“ Auslastung von 94 Prozent erheblich zur Entspannung beigetragen, sagt Wolfgang Breyer. Breyer ist Sprecher der Framatome ANP, einem Joint Venture zwischen der gleichnamigen französischen Mutterfirma und Siemens. Auch seine Kollegen von der staatlichen Betreiberfirma Eletronuclear sehen sich im Aufwind und bearbeiten Planer, Parlamentarier und Presse in Brasilien, um das richtige Klima für den Bau des Atommeilers herzustellen. Eine „eindeutige Weichenstellung“ für den Bau sieht Breyer in einem Beschluss des Nationalen Energierates, den Enegieminister José Jorge Ende Januar offiziell machte: Danach wird Eletronuclear autorisiert, die Planungen für Angra III „wiederaufzunehmen“. Vor einer endgültigen Bauerlaubnis müsse die Firma allerdings nachweisen, dass das Projekt ökonomisch und ökologisch vertretbar sei.

Auf der Gegenseite fordern Umweltschützer den Ausbau von Wind- und Solarenenegie, Sparprogramme und Effizienzsteigerungen bei der Stromübertragung. Nutze man etwa die Rückstände aus der Rohrzuckerproduktion, so könne man allein im Staate Rio die Leistung eines AKW-Blocks erzielen, sagt Rios Umweltminister André Corrêa. Von den Deutschen erhofft er sich Impulse und verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien.

Dagegen setzt die Atomlobby hüben wie drüben auf eine Hermesbürgschaft, mit der ein Drittel des noch ausstehenden Auftragsvolumens abgesichert werden soll. Für Hightech-Elemente, Leittechnik und die professionelle Begleitung der Montage haben deutsche Firmen noch einmal 650 Millonen Euro veranschlagt. In dieser Höhe beantragte Siemens 1998 eine Hermesbürgschaft.

Die Signale aus Berlin sind ambivalent. 1999 wurde „vergessen“, das Atomabkommen von 1975 fristgerecht zu kündigen, was SPD und Grüne jahrelang gefordert hatten. Im Auswärtigen Amt will man den Brasilianern signalisiert haben, eine politische Unterstützung von Angra III lasse sich in Deutschland nur schwer vermitteln. Durchgesetzt hat sich jedoch das Wirtschaftsministerium mit seiner Linie, über einen solchen Antrag erst zu entscheiden, sobald Brasília den Bau von Angra III explizit beschlossen habe. Auch hier zeigt sich Framatome-Sprecher Breyer zuversichtlich: Angra III definiert er als „Altgeschäft“, das noch nicht unter die neuen, strengeren Hermes-Richtlinien falle.

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