Leiden an den Worten

Im Wettbewerb erinnert Richard Eyre an die Schriftstellerin Iris Murdoch. „Iris“ ist zugleich die Geschichte einer Liebe wie auch einer Krankheit

von BRIGITTE WERNEBURG

Wenn Tony Blair drei Mal hinter einander education, education, education sagt, muss man sich nicht sorgen, er habe sich in die Arme von Dr. Alzheimer geworfen. Anders dagegen steht es um Iris Murdoch, der ihr Ehemann John Bayley (Jim Broadbent) genau das vorwirft. Womit er auch noch einmal die Untreue seiner Frau, die ihm immer zu schaffen machte, halb ironisch, halb bitter ins Spiel bringt.

Es ist das einzige Mal in Richard Eyres Film „Iris“, dass der Name der Krankheit genannt wird, die die berühmte englische Schriftstellerin und Philosophin (ihr erstes Buch war eine Monographie zu Sartre) zum Wrack werden lässt. Ausgerechnet die Frau, die die Worte immer so liebte. Trotzdem: Eyres Film hat sein Zentrum in dieser nicht benannten, aber von Judi Dench ungeheuer plausibel und facettenreich dargestellten Verletzung.

Wenn Tony Blair im Fernsehen drei Mal hintereinander education sagt – wo wir kurz zuvor von der noch gesunden Schriftstellerin eine wunderbar verständliche und gleichwohl philosophisch elaborierte Stellungnahme dazu gehört hatten –, dann ist das nur Politik. Iris bekommt es trotzdem heftig mit der Angst zu tun: Kürzer, präziser und dramatischer als in diesem knappen Umschnitt auf Iris vor dem Fernsehgerät, lässt sich die Qual, die der Film als sein Thema hat, nicht zeigen. Richard Eyre, der von 1988 bis 1997 künstlerischer Leiter des Royal Theatre in London war, verfügt in „Iris“ auch souverän über die Möglichkeiten der Filmsprache.

„Worum geht es in deinem Roman?“, fragt der junge John Bayley (Hugh Bonneville) immer wieder seine Angebetete (Kate Winslet als junge Iris), als er sie 1953 kennen lernt. Sie verwundert die Frage. „Um Freiheit, das Gute, die Liebe.“ Dass die einfältigen Wiederholungen der Politik der Freiheit des Geistes genauso gefährlich sind wie die Wiederholungen, zu denen die Alzheimer-Demenz zwingt, ist Iris selbst in ihrem schwer geschädigten Hirn höchst präsent.

Man muss deshalb auch nicht glauben, dass das Gute und die Liebe, von denen sie spricht, einem kleinbürgerlichen Mainstream verständlich, gar sympathisch wären. Iris Murdoch ist ohne Pedanterie und Kleinlichkeit. Im Gegenteil: Eine gewisse Schlampigkeit in Dingen der Ordnung, der Sauberkeit und der Auswahl ihrer Geliebten, bei denen sie weder auf Alter noch Geschlecht achtet, wird in Eyres Film sehr deutlich. Und weil sie sich in den zwei ersten Punkten so hervorragend mit ihrem Mann versteht, finden wir sie am Ende als das beneidenswerte Paar vor, das „enger und enger auseinander rückt“ (A. D. Hope ). Ein Paar, auch das eine Leistung der Regie, das paradoxerweise aus vier, dazu hervorragenden Schauspielern besteht.

Es ist also auch eine große Liebesgeschichte, die „Iris“ erzählt. Doch der Film weiß die Balance zu wahren. Er hat sein Zentrum bei Dench, weil er es dort haben muss. Stünde Kate Winslet, die junge Iris, im Mittelpunkt, geriete die „Geschichte mit tragischen Ende“ zum Kitsch.

Unerträglicher Kitsch dagegen ist wieder mal die Musik. Das Soßige heutiger sinfonischer Filmmusik scheint dem Konservierungsmittel in modernen Parfums zu entsprechen: es wirkt einfach Ekel erregend, aber keinem scheint das aufzufallen.

„Iris“. Regie: Richard Eyre. Großbritannien 2001, 95 Min.