Fortpflanzungs-Machos

■ Nur Männer diskutieren über Präimplantationsdiagnostik

Eine sonderbare Veranstaltung findet heute (18 Uhr) in der Bremischen Bürgerschaft statt: „Fortpflanzung mit Qualitätssicherung? Medizinische und ethische Fragen der Präimplantationsdiagnostik“ – ein Thema auf der Höhe der Zeit, das die Menschen bewegt. Stirnrunzeln verursacht nur das Podium: Da wird der Humangenetiker Jörn Bullerdiek sitzen, der Diako-Frauenarzt Olaf Drost, der Philosoph Georg Mohr und der Pharmakologe Peter Schönhöfer – allesamt ausgewiesene Experten im schwierigen Feld zwischen medizinischer Machbarkeit und ethischer Wünschbarkeit. Nur eines fehlt ihnen allen: der weibliche Blick; nicht ganz unerheblich bei einem Thema, das Frauen erheblich direkter betrifft als Männer. Zu allem Überfluss führen zwei weitere Männer als Veranstalter ins Thema ein: Bürgerschaftspräsident Christian Weber und der frisch gebackene Uni-Rektor Wilfried Müller.

Für viele Bremer Frauen war das zuviel geballte Männlichkeit. In der Uni hagelte es Proteste, die Veranstalter mussten auch von prominenter Seite beißenden Spott über sich ergehen lassen: „Geradezu befreiend finde ich es, dass nun endlich mit dem Mythos aufgeräumt wird, Frauen hätten mit dem Thema Fortpflanzung etwas zu tun“, schreibt aus Berlin die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck. Die Grüne gratuliert „zu diesem patriarchalen Befreiungsschlag“, an dem sie nicht als weibliche Staffage im Publikum teilnehmen mochte.

In der Uni fand vor allem der Protest der Bremer Gleichstellungsbeauftragten Ulrike Hauffe Widerhall: „Sehr laut“ habe sie sich zu Wort gemeldet, berichtet Volker Preuss, im Uni-Rektorat für „Centrale Projekte und Events“ zuständig. „Das war wohl unser typischer männlicher blinder Fleck“, sagt er, zerknirscht über den peinlichen Fehler. Dabei war es gut gemeint: Mit der Reihe „Science – was kommt auf uns zu?“ will die Uni in die Gesellschaft hineinwirken, sozusagen praktische Lebenshilfe bieten. Nach einem Vortrag von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) und der Performance „GENiale Zeiten“ von Schülern des Gymnasiums Horn wollte die Uni das Thema Reproduktionsmedizin nun mit einem „Heimspiel“ abschließen: „Unsere Wissenschaftler wollten Stellung nehmen“, und da habe man einfach die einschlägigen Experten gefragt, außerdem Mediziner aus Kooperationsprojekten. „Die Frauenproblematik war uns dabei gar nicht bewusst“, so Preuss. Unentschuldbar, wie er heute findet: „Schließlich haben wir an der Uni starke Frauen, die es leid sind, immer wieder übergangen zu werden.“

Nicht untypisch, findet Hauffe: „Frauen kommen in dieser Debatte nur als Eier oder als fötales Umfeld vor.“ Den heutigen Abend verbucht sie dennoch als Erfolg für die Frauen: Uni-Rektor Müller hat ihr zugesagt, sich in der Veranstaltung zu entschuldigen. Und die Reihe wird um einen Termin verlängert, an dem weibliche Sichtweisen im Mittelpunkt stehen sollen. „Das klingt doch gut“, findet Hauffe, „früher hätten wir so eine Veranstaltung einfach gesprengt.“

Jan Kahlcke