Angst vor dem perfekten Menschen

■ Herrenrunde diskutierte über Präimplantationsdiagnostik

Als sie fragte, was denn eigentlich das Leben sei, da erklärte Volker Preuss von der Universität der Frau im Auditorium der Bürgerschaft, das gehe jetzt vielleicht doch ein bisschen weit. Und so hielt sich Diskussion des nur mit Männern besetzten Podiums um Präimplantationsdiagnostik (vgl. taz vom Donnerstag) im absehbaren Rahmen: Seiner Meinung nach werde der Umgang mit der Möglichkeit, eine befruchtete Eizelle noch vor ihrer Verpflanzung in die Gebärmutter auf genetische Vorgaben zu untersuchen, in einem Kompromiss enden, erklärte der Humangenetiker Jörn Bullerdiek: Nur im Fall von wenigen, genau zu definierenden Erbkrankheiten der Eltern oder der Anlage dafür solle PID erlaubt werden – das entspricht auch der Position der Bundesärztekammer.

Richtig begeistert zeigte sich keiner der Herren auf dem Podium von der Möglichkeit genetischer Selektion – die Angst vor dem, was künftig machbar wird, überwog, auch im Publikum.

Besonders der Bremer Mediziner und Pharmakologe Peter Schönhöfer warnte vor dem, was PID und Gentechnologie allgemein mit sich bringen werde: „Eine neue Bedrohung durch wirtschaftliche Faktoren.“ Deshalb dürfe PID nicht allein privaten Labors überlassen werden.

Was daran nun gut sei und was böse – Aufschluss darüber gab es nur in Ansätzen von Philosophieprofessor Georg Mohr. Seine Aufgabe sei es, so der Mann, „den Diskussionsgegenstand zu präzisieren“, zugrunde liegende Begriffe und Voraussetzungen bewusst zu machen. Zur Mohrs Frage, was die per PID „faktisch vorgenommene Selektion für die heißt, die diese Krankheit schon haben“, äußerte sich dann nicht der Ethikfachmann, sondern eine Frau im Rollstuhl: Offenbar werde vorausgesetzt, dass Behinderung automatisch mit Leid verbunden sei. Und in Richtung Podium: „Sie haben sich wenig mit der Lebensrealität von Behinderten beschäftigt. Das gesellschaftliche Umfeld kann eher Leiden verursachen.“

Der Herrenrunde soll noch eine weitere, ursprünglich nicht geplante Veranstaltung folgen, die erst nach Protesten gegen die maskuline Podiumsübermacht ins eigentlich schon beendete Programm genommen wurde: Dann sollen Frauen über PID sprechen. sgi