Grüne lassen Bulmahn allein

Endlich lernt die Öffentlichkeit die Bildungsministerin kennen: Als ra(s)tlose Reformerin, der wenig gelingt. Mit ihrer „beratungsresistenten“ Politik wollen die Grünen nicht mehr identifiziert werden

„Es gefällt mir nicht, wie Bulmahn über Bummelstudenten herzieht“

von CHRISTIAN FÜLLER

Was hat sie nicht alles angefangen, die Bildungsministerin. Edelgard Bulmahn erkämpfte mehr Geld für ihren Bildungsetat. Sie schaffte ein neues Bafög und mischte sich in die Gendebatte ein. Nicht einmal jetzt, im Wahljahr, mag sie ruhen. Heute lässt sie im Bundeskabinett Studiengebühren verbieten. Leider hat kaum jemand das alles wahrgenommen. Ausgerechnet ihre Jahrhundertreform des Uni-Dienstrechts aber macht nun in der Öffentlichkeit Furore – als ein völlig verkorkstes Projekt, das tausende von Wissenschaftlern in die Arbeitslosigkeit treibt.

Das allgemeine Kopfschütteln über den Kurs der Ministerin hat nun auch die Grünen erreicht. In zwei Projekten rückt der Koalitionspartner von Bulmahn ab: Bei den Studiengebühren und der Dienstrechtsreform wollen die Grünen eigene Wege gehen. In den Fluren des Bundestages heißt es: Man wolle nicht mit „der beratungsresistenten Politik“ von Bulmahn identifiziert werden. Bulmahns Pech: Immer mehr Grüne, die den wissenschaftlichen Mittelbau an den Hochschulen als ihre Bastion ansehen, werden persönlich haftbar gemacht für den Befristungs-Murks beim Dienstrecht. Außenminister Joschka Fischer sieht sich, wenn er von Gesprächen mit Jassir Arafat und Colin Powell zurückkehrt, erneut in den Job des Vermittlers gestellt: Per E-Mail rufen Wissenschaftler um Hilfe. Die 12-Jahresregel bringt die universitäre Bastion der Grünen ins Wanken.

Nach 12 Jahren, so steht es im Hochschulrahmengesetz, das der Bundespräsident gerade ausgefertigt hat, dürfen Hochschulen und Forschungseinrichtungen keine befristeten Verträge mehr an Wissenschaftler vergeben – im Prinzip. Das Problem für die betroffenen Projektforscher ist, dass die Personalabteilungen der Hochschulen das Gesetz restriktiv auslegen wollen. Erfahrene Wissenschaftler, die das Know-how für so genannte Drittmittelanträge mitbringen, müssen sich sagen lassen: Schön, dass du dein Geld mitbringst, aber laut Gesetz dürfen wir dich nicht mehr beschäftigen.

Inzwischen ist auch klar, dass es arbeitsrechtlich möglich ist, die rigide 12-Jahres-Frist anders auszulegen. Aber das wissen wohl längst nicht alle Personalchefs an den Unis.

Die Grünen haben das Dilemma erkannt und wollen reagieren. Am heutigen Mittwoch haben sie Wissenschaftsorganisationen von der Forschungsgemeinschaft bis hin zur Initiative „wissenschaftlichernachwuchs.de“ zu einer Anhörung eingeladen. „Vieles von dem, was gefordert wird, ist gerechtfertigt“, bekennt der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske. Und, so fügt er an: „Wir müssen schnell reagieren.“ Die Grünen sind bereit dazu, notfalls sogar durch ein flottes Nachsteuern im Gesetz. Sprich: Wenn das Hochschulrahmengesetz im Zuge der Diskussion um Studiengebühren geändert wird, sollte man die Dienstrechtsfragen sofort nachbessern. „Wir sind bereit zur Änderung.“

Die Grünen reagieren offenbar auch auf den Stil der Ministerin und der SPD. Bulmahn hält eisern an ihrem Gesetz fest. So haben Bulmahn und ihr Spezialist für Fristverträge, der Kölner Arbeitsrechtler Ulrich Preis, sich bei einer Veranstaltung mit betroffenen Wissenschaftlern in der vergangenen Woche keine Freunde gemacht. Bulmahn unterstellte den Habilitierten, nicht lesen zu können. Preis ließ durchblicken, dass sich in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin jedenfalls keine Spitzenforscher versammelt hätten (siehe Kasten). Der Bildungssprecher der SPD-Fraktion Jörg Tauss hält die Kritik an der Ministerin für Unfug.

Anders als Bulmahn wollen die Grünen zwei konkrete Mängel beheben: Erstens bräuchten Habilitierte eine Beschäftigungsbrücke, bis sie eine Professur ergattern könnten. Die Chancen auf Lehrstühle werden sich in fünf Jahren drastisch verbessern, weil dann beinahe die Hälfte der Professoren ausgetauscht wird. Zweitens müsse eine Regelung für die Projektforscher gefunden werden, die gar nicht Professor werden wollen, aber unersetzbare Kräfte sind.

Nicht einmal bei den Studiengebühren, immerhin einem gemeinsamen Wahlversprechen, ist man einer Meinung. Während Bulmahn lauthals Langzeitstudenten kritisiert, finden die Grünen das nicht schlau. „Es hat mir überhaupt nicht gefallen, wie Frau Bulmahn über Bummelstudenten herzieht. Die sind nicht das Problem“, fällt Reinhard Loske dazu nur ein. Die Grünen lassen Bulmahn allein.