Rot-grünes Info-Desaster

Die Bundesregierung weist den Vorwurf der Geheimniskrämerei über den Einsatz deutscher Spezialkräfte in Afghanistan zurück. Sie räumt aber Unzulänglichkeiten in der Informationspolitik ein

aus Berlin JENS KÖNIG

Vielleicht liegt darin ja ein Fortschritt: Diesmal reichte nur ein einziger Tag Aufregung und Durcheinander, um die Bundesregierung zu einem Eingeständnis zu bewegen. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye räumte in der Bundespressekonferenz in Berlin, wenn auch nur zähneknirschend, Unzulänglichkeiten der Bundesregierung bei der Information über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan ein. „Die Informationsarbeit ist offensichtlich verbesserungswürdig“, sagte Heye.

Er meinte damit jedoch nicht die grundsätzliche Entscheidung zur Geheimhaltung über den Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK) bei Aktionen gegen die Terrororganisation al-Qaida. Heye bezog sich vielmehr auf unterschiedliche Angaben, wie viele KSK-Kämpfer genau in Afghanistan im Einsatz seien. Aber auch über grundsätzliche Verbesserungen der Informationspolitik müsse die Bundesregierung „sehr entschieden nachdenken“, so Heye. Er bat bei den Journalisten fast schon um Verständnis, als er sagte, immerhin sei es das erste Mal, dass sich Deutschland in einer derartigen Situation befinde. Aber, rechtfertigte er weiter, die Amerikaner und die Briten hätten schließlich auch nicht über Details des Einsatzes ihrer Spezialkräfte informiert.

Den Vorwurf, der Öffentlichkeit absichtlich den Einsatz der Elitesoldaten verschwiegen zu haben, wies der Regierungssprecher zurück. Niemals habe die Bundesregierung erklärt, dass es solche Einsätze nicht geben werde. Jedem hätte das nach dem Beschluss des Bundestags am 16. November vorigen Jahres klar sein müssen, so Heye. Die zuständigen Bundestagsausschüsse und die Fraktionen seien laufend informiert worden.

Das Parlament hatte damals die Bereitstellung von 3.900 deutschen Soldaten für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus gebilligt. Das schließt auch 100 Spezialkräfte ein. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte vor dem Bundestagsbeschluss von fünf Anforderungen der USA an Deutschland berichtet. Zu denen gehörte auch der Wunsch nach „Spezialkräften mit bis zu 100 Soldaten“. Damals beantwortete Schröder die Frage nicht, ob es sich dabei um das Kommando Spezialkräfte handelt.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums von gestern sind rund 100 KSK-Soldaten an der Jagd auf Al-Qaida-Terroristen beteiligt. Diese Zahl sei „ganz eindeutig“ vom Bundestagsmandat gedeckt, meinte Heye. Zu der rot-grünen Informationspanne hatte ganz entschieden ein Politiker des größeren Koalitionspartners beigetragen. Der SPD-Politiker Helmut Wieczorek hatte als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Sonntagabend von mehr als 200 Elitesoldaten in Afghanistan gesprochen.

Über Art, Umfang, Zeit und Ort des Einsatzes wollte die Bundesregierung auch gestern nichts sagen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte nur, dass die deutschen Elitesoldaten mit anderen Streitkräften zusammenarbeiten. Die Befehlsstränge zu den deutschen Einheiten seien jedoch „national bestimmt“. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte die restriktive Informationspolitik noch am Sonntagabend verteidigt. „Wir sind für die Sicherheit unserer Leute im Einsatz verantwortlich“, sagte Fischer. „Das ist es, was uns zuerst interessiert – und nicht, ob die Medien darüber informiert sind.“