Kritik an EU erschüttert Koalition in Italien

Lega-Nord-Chef Umberto Bossi spricht von einem drohenden „neuen Faschismus“ – Premier Berlusconi wiegelt ab

ROM taz ■ In Italiens Rechtskoalition ist erneut heftiger Streit über die Europapolitik des Landes ausgebrochen. Zum Auslöser wurde der am letzten Wochenende in Mailand abgehaltene Parteitag der Lega Nord. Dort hatte Umberto Bossi – Lega-Chef und Minister für Verfassungsreformen – den integrationsfeindlichen Kurs seiner Partei verschärft. Bossi sprach von der EU als dem drohenden „neuen Faschismus“, gegen den die Lega „zivilen Widerstand“ leisten werde. Einen „stalinistischen Ideen nachgebildeten Superstaat im Dienste von staatenlosen und technokratischen Lobbys“ werde seine Partei nie hinnehmen.

Am Montag gingen die Christdemokraten – des gemäßigtsten, aber mit 3,5 Prozent auch kleinsten Koalitionspartners Berlusconis – in die Gegenoffensive. Pierferdinando Casini, Präsident des Abgeordnetenhauses, erklärte, Europa sei „keine Bedrohung für die nationale oder regionale Autonomie, keine Zwangsjacke, sondern eine außerordentliche Chance für die Italiener“.

Mit der Kritik an Bossi stehen die Christdemokraten allein. Berlusconi sah in seiner Rede vor dem Lega-Parteitag zwar „destruktive Kräfte“ in Italien am Werk, die kein klares Verhältnis zum Rechtsstaat hätten. Damit meinte er aber die Linksparteien, deren jüngste Demonstration er in die Nähe eines staatsfeindlichen Aktes rückte. Zu Bossis Positionen teilte Berlusconi nur mit, dass der Mann sich nun mal „in kräftigen Tönen“ ausdrücke, in der Sache aber kein Dissens bestehe: Bossi habe nur sagen wollen, dass er kein „Europa der Bürokraten“ wünsche.

So darf sich die Lega Nord darüber freuen, dass Berlusconi ihr weiter vollkommene Handlungsfreiheit zugesteht – eine Handlungsfreiheit, die die Partei nicht nur in ihren außenpolitischen Hetzkampagnen nutzt. So bemängelt kein Politiker der Koalition, dass auf dem Lega-Parteitag Hakenkreuzmosaiken und rechtsextreme Propaganda zum Verkauf angeboten wurden. Ebenso wenig sorgen offen faschistische und antisemitische Texte in der Parteizeitung La Padania für Krach im Rechtsbündnis. Für Berlusconi zählt allein, dass mit dem Bündnis Berlusconi/Bossi die „Auslieferung Italiens an den Kommunismus“ verhindert wurde. MICHAEL BRAUN