Der Beweis im Bauch

Beispiel Nigeria: Eine geschiedene Frau soll gesteinigt werden, weil sie ein Kind erwartet

LAGOS taz ■ Der Staatsanwalt des Scharia-Gerichts im nordnigerianischen Sokoto hat es nicht mehr so leicht. Bei der ersten Verhandlung gegen Safiya Husaini wegen Ehebruchs war Mohammed Baura noch auf wenig Gegenwehr gestoßen. Für die Herren Richter und Staatsanwalt war der Sachverhalt klar: Obwohl Safiya Husaini geschieden ist, hat sie ein Kind bekommen. Nach der Scharia ist das Ehebruch. Der Rechtsanwalt der 35-jährigen Husaini äußerte sein Verständnis für den Richterspruch.

Der Beweis im Bauch

Husaini dagegen sprach von Vergewaltigung. Der Täter hatte sogar gestanden – allerdings nur vor drei Polizisten. Das ist ein Zeuge zu wenig, entschied das Gericht nach Vorgabe der Scharia und sprach den Mann frei. Bei Safiya Husaini sah das anders aus. Der Beweis war im Bauch. Sobald Adama geboren und von der Mutterbrust entwöhnt sei, nach etwa acht Monaten also, sollte die Mutter nach dem Willen der Richter bis zum Hals eingegraben und mit faustgroßen Steinen beworfen werden – bis zum Tod.

Safiya Husaini bekam Beistand aus dem In- und Ausland. Staatsanwalt Mohammed Baura tritt zum neuen Gerichtstermin am 18. März gegen ein zehnköpfiges Anwaltsteam an. Weitere Gegenwehr gibt es außerhalb des Gerichtssaals von unzähligen Frauengruppen und Menschenrechtsorganisationen.

Viele dieser Proteste kommen aus dem vorwiegend christlichen Süden und Mittelteil des Landes. Nicht nur Verbände von Anwältinnen, auch christliche Frauen, etwa von der Pfingstlerkirche „Pentecostal Fellowship of Nigeria“, forderten vehement die Schonung ihrer Schwester Safiya. „Wir wollen nicht, dass Mutterschaft in Nigeria gesteinigt wird“, schrieben sie in einem offenen Brief.

Es ist bekannt, dass die Bevölkerung im Norden weniger alphabetisiert und aufgeklärt ist als im Süden. Dennoch regt sich auch bei muslimischen Frauen im Norden Widerstand: Abdullahi Halima, Leiterin der Hilfsorganisation „Help Eliminate Loneliness and Poverty“ sieht das Urteil als Bloßstellung für die Mehrheit der Muslime und speziell der muslimischen Frauen.

Auch die nigerianische Regierung unterstützt Safiya Husaini gegen den Bundesstaat Sokoto. Wie über ein Dutzend andere nördliche Bundesstaaten hatte auch Sokoto der altbekannten und lange angewendeten Scharia neues Gewicht gegeben – sehr zum Missfallen der Zentralregierung.

Der nigerianische Präsident spricht daher auch von einer politischen Scharia, die einzig Interessen von Einzelnen und Machtpolitik als Antrieb habe. Trotzdem hat er versäumt, den Konflikt zwischen weltlicher Verfassung und der stark aufgewerteten Stellung der Scharia-Gesetzgebung in einigen Bundesstaaten zu klären – wahrscheinlich aus Angst vor einer Konfrontation mit der politischen Klassen des Nordens.

Islamischer Gentest

Nun zeichnen sich weitere Fälle ab, bei denen modernes und traditionelles Rechtsverständnis zusammenprallen. Eine weitere Frau, Hafsatu Abubakar, wurde in Sokoto unter ähnlichen Umständen wie bei Safiya Husaini zum Tode verurteilt. Die Organisation „Mothers in Nigeria“ sieht in den Urteilssprüchen vor allem den Versuch der Männer, mit fragwürdigen Kriterien die Vaterschaft abzustreiten. Mit der Folge, dass sie freigesprochen würden und die Mütter verurteilt. „Mothers in Nigeria“ fordert den DNA-Test. Bleibt die Frage, ob das Scharia-Justizsystem einen DNA-Test in seinem Wahrheitsgehalt den Aussagen von vier Zeugen gleichsetzt – oder ob vier unterschiedliche Gentests gemacht werden müssen.

HAKEEM JIMO