Diesseits von Eden

Im Ökotourismus gibt sich der Naturschutz mehr und mehr mit der Rolle des Landschaftsgärtners zufrieden. Er pflegt und hegt die Idylle in unseren Köpfen. Was unserer Sehnsuchtsgeografie nicht entspricht, bleibt schutzlos

von CHRISTEL BURGHOFF und EDITH KRESTA

Wir nähern uns der Elbe. Der Fluss schlängelt sich glänzend im Sonnenlicht. „Wo gibt es das sonst“, sagt Ernst Paul Dörfler vom Bund für Natur- und Umweltschutz Deutschland (BUND), „sechshundert Kilometer freifließender Fluss ohne Mauern und Barrikaden?“ Wenn sich die Elbe ihre sandigen Ufer erhalten kann, wenn sie weiterhin durch beglückend schöne Uferwälder fließt, wenn sich gar die Lachse wieder in diesem Fluss tummeln, dann wird es das Verdienst der Naturschützer sein, die diese Sehnsuchtslandschaft erhalten wollen. Und wenn sich Naturschützer so gefällig als Gärtner des Landschaftsschönen befleißigen, dann freut das nicht nur die Freunde der Natur, sondern auch die Touristen.

Die Natur ist das wichtigste Kapital der Tourismusindustrie. Die Wandervögel des letzten Jahrhunderts schwelgten unter dem grünen Dach der deutschen Wälder, und die modernen Naturfans ergehen sich am abgelegensten Berggrat im Himalaya. Das radelnde Familienglück hat das Picknick im Grünen um eine sportliche und ökologische Variante bereichert. Die Natur ist unsere Spielwiese. Gepflegt, gehegt, ästhetisch und sauber. So lieben wir sie. Hier spürt man wieder den Boden unter den Füßen.

„Es gibt immer wieder die Sinnsuche. Wie in der esoterischen Bewegung. Und es gibt ein bestimmtes Streben zurück zu den Wurzeln. Man sucht bestimmte Qualitäten, die man aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen verloren glaubt“, so Christine Garbe vom tourismuskritischen Netzwerk DANTE, der Sammelstelle für die Befürworter sozial- und umweltverträglichen Reisens. Manfred Pils, Generalsekretär des alteingesessenen Touristenverbandes „Naturfreunde Internationale“ stellt ähnliche Überlegungen an: „Was ist die Schönheit der Natur? Es ist in der Regel eine Idylle wie man sie ideal erleben will. Das Gegenteil von allen städtischen, industriellen Lebensformen, denen man sonst ausgeliefert ist.“

Wir haben Bilder im Kopf. Vielleicht sind es paradiesische Bilder. Vielleicht sind es heimatliche Bilder. Vielleicht ist es auch nur der rauschende Bach und das Wiesengrün, die uns irgendwann einmal Gefühle entlockt haben und diese Gefühle immer wieder neu zum Klingen bringen. Dann sind wir uns ganz nah. Bei uns. Daheim. Denn Heimat ist eine „Gedächtnisspur“, ein Empfinden. Sie kann ein Geruch sein, ein Geschmack, eine Impression, die Art und Weise, wie man spricht, sich bewegt. „Heimat ist ein Stück sozialer Wirklichkeit, das real und zugleich fiktiv ist, in die Gegenwart wirkt und doch zeitlich zurückliegt“, analysiert der Publizist Thomas E. Schmidt, und ordnet so den schwer belasteten Heimatbegriff jenseits jeder Tümelei ein. Und der „Naturfreunde“-Repräsentant Pils meint dazu: „Heimat ist ein Gefühl der Übereinstimmung meines Wissens und meiner Befindlichkeit mit der jeweiligen Umwelt. Eine intellektuelle, emotionale Geborgenheit.“

Wo grenzenlose Mobilität als universelle Zukunftsvision gehandelt wird, wo selbst saturierten Mittelschichten mit Eigenheim das Phänomen Migration immer näher auf den Pelz rückt und die Greencard zum Normalfall deklariert werden soll, wird Heimat neu verhandelt und wie bei Schmidt als „Denkfigur des Innehaltens“ politisch neutral definiert. Wo halten wir mehr inne als im Urlaub?

Der aufkommende Ökotourismus der achtziger Jahre akzentuierte die Bedeutung der Natur beim Reisen stärker als je zuvor. Sanftes Reisen war das Zauberwort, die grüne Oase ihr Trend. Reisende fühlten sich inspiriert, sich dank und mit Natur zu erden und zu finden. Doch parallel zur Naturrenaissance traten nun auch die zerstörerischen Auswirkungen der Wachstumsindustrie Tourismus ins Bewusstsein: erhöhtes Verkehrsaufkommen bis hin zum Kollaps; verbaute Küsten; touristische Monokultur; Entwertung und Folklorisierung eigenständiger Kulturen; ruinierte Biotope und Ökosysteme. Die Kluft zwischen industrieller Nutzung der Natur und ihrer natürlichen Reproduktion wurde immer sichtbarer.

Aus der Sicht kritischer Reisender verursacht nicht allein der Massentourismus große Schäden bei der Erschließung der Reiseziele, sondern auch der Ökotourismus. Bislang ergänze Ökotourismus die bestehenden Tourismusformen nur, und das unzureichend, meint etwa Norbert Suchanek, Journalist und Tourismusfachmann. Was immer sich mit einem Ökolabel schmücke, ob Jagd-, Natur- oder Abenteuertourismus, sei selten frei von „harten“ Praktiken. Tourismuskritische Kreise sprechen vom „Etikettenschwindel“. Beispiel Unterschutzstellung großer Naturgebiete: Noch 1988 mussten etliche hundert San (Buschmänner) ihr Land in der afrikanischen Kalahari räumen, um einem Nationalpark Platz zu machen.

Kritik wird laut an der fehlenden Partizipation der Einheimischen an ökotouristischen Projekten, aber auch am Umgang des Tourismus mit der Natur selbst und den Eingriffen in geschützte Ökosysteme. Man beklagt die Inszenierung der wilden Schönheit für touristische Bedürfnisse. Denn unter Touristen ist längst nicht alles beliebt, was in einem Naturschutzgebiet kreucht und fleucht. Es gibt Beliebtheitsskalen.

Im afrikanischen Krüger Nationalpark rangieren die so genannten Big Five ganz oben: Elefant, Nashorn, Leopard, Büffel und natürlich der Löwe. Aufgrund seiner großen touristischen Akttraktivität darf sich der König der Tierwelt seit den dreißiger Jahren im Krüger Park wie Gott in Frankreich fühlen. Er wird gehegt und gepflegt, und zwar auf Kosten seiner direkten Nahrungskonkurrenten, den afrikanischen Windhunden. Diese in Rudeln jagenden Vierbeiner rangieren in der Beliebtheitsskala bei Urlaubern und Nationalparkmanagern ganz unten.

Das Erfolgsrezept des modernen Tourismus ist in wachsendem Maße die Inszenierung – dazu gehört auch die Inszenierung der Natur. Wenn der König der Tiere ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht, dann wird ihm eben zur Präsenz verholfen. Und wenn wir besondere Präferenzen für exotisches Grün entwickeln, dann wird es gepflanzt. Die Natur ist formbar und was machbar ist, wird erfüllt – und sei es die grüne Golferidylle in der Wüste.

Dem postmodernen Menschen gehe es um die starken subjektiven Erlebnisse, meint der Kulturhistoriker Werner Bätzing. Die „vertraute Sicht der Landschaftswahrnehmung“, nämlich „Landschaft als Totalität, als Ganzheit“ sei fast schon Geschichte. An deren Stelle trete die „Ästhetisierung von ausgewählten Einzelelementen der Natur“. Und dafür müssen die Reize stimmen, die Ensembles stimmig sein. Wir wollen Natur – doch bei aller Beschwörung ihrer Ursprünglichkeit, ihrer Unverfälschtheit: Die paradiesische Natur, die wir suchen, ist immer der Garten.

Das Motiv des paradiesischen Gartens ist uralt und zieht sich durch die Mythologien und Religionen. Die Menschen wurden aus diesem Paradies vertrieben, erzählen die drei monotheistischen Religionen. Der Garten gilt als Symbol der Vollkommenheit und Ordnung der Welt. Bäume, Pflanzen, Blumen, Vögel versinnbildlichen in ihrem Wachsen zwischen Erde und Himmel den spirituellen Anspruch des Menschen. Das Wasser, Lebenselement schlechthin, durchzieht die Gärten. Vor allem in der islamischen Welt entwickelte sich einst eine Hochkultur des Gartenbaus.

Im Tourismus wurde das Paradiesgärtchen zu einem Garten der Lüste, zu einem Garten der sinnlichen Sehnsüchte, ausgestattet nach Moden und Bedürfnissen. Zu den alten Mythen gesellen sich moderne Mythen: Beispielsweise die vermenschlichte Tierwelt der Disney Company, die uns Bambi erschaffen hat, oder die Schlüsselreize der Werbung wie Sex, Sonne, Sand im Bacardifeeling. Der touristische Garten der Lüste spielt mit Ungleichzeitigkeiten, er will uns eine perfekte, moderne Sehnsuchtsgeographie inszenieren. Diese besteht aus Bildern der Vergangenheit, Bildern der Eindeutigkeit und Harmonie, aber auch aus modernen Bildern vom guten Leben.

Die touristische Industrie erfindet die Harmonie von Mensch und Natur neu und macht sie zum neuen, alten Erfolgsschlager. Landschaftselemente wie die unverbaute, frei fließende Elbe ziehen daraus ihren Reiz. Wir leben modern, aber wir wollen auch die idealisierte Idylle. Wo sich alles im Umbruch befindet, suchen wir nach eindeutigen Bildern, nach Identifikation. Dafür steigen wir in den Überschallflieger Concorde und wissen, dass wir am Ort unserer Träume beispielsweise in der unerhörten Stille der Wüste auch einen hochmodernen Flughafen finden.

Weltweit hat sich die Industrielandschaft in die Kulturlandschaft hineingefressen und sie überformt. Wir leben, so der Historiker Rolf Peter Sieferle, in einer neuen Kulturlandschaft, die die vorausgegangene Agrikulturlandschaft abgelöst hat. Sie folgt nicht mehr den alten Prinzipien der Dezentralität, der identitätsstiftenden Eindeutigkeit, der stilistischen Geschlossenheit, an der sich unsere Gefühle nach Heimat entzünden. Sie folgt den neuen Prinzipien der Mobilität, dem raschen Informationsfluss, der Universalität und der ständigen Erneuerung. Alles fließt.

Es ist das Prinzip der Verdunstung, Verflüssigung und Funktionalisierung. „Die Gesellschaft der Transformationsära löst alle Bestände in Flüsse und Funktionen auf, an welche sich die Individuen zwangsläufig anschließen müssen“, schreibt Sieferle. Für ihn liegt „die schöpferische Kraft der neuen Prozesse vor allem in der Gestaltung des Flüchtigen, also in einer Formgebung, die sich an Objekte haftet, die gerade keinen Bestand haben können und sollen“. Denn die Stabilisierung evolutionärer Muster, die Sinn und Identität vermitteln, setzen „Isolation“ voraus. Damit sei es vorbei, meint Sieferle, „Verdichtungen“ könnten im „hochbeschleunigten Informationsaustausch“ nicht mehr stattfinden, die einzig dauerhafte Eigenschaft der neuen Kulturlandschaft sei die Permanenz ihres Wandels.

Diesen neuartigen Landschaftstyp, der sich im 20. Jahrhundert rapide über die gesamte Erde ausbreitete, bezeichnet Sieferle als die „totale Landschaft“. Lokale Selbstgenügsamkeit und regionale Traditionen werden darin obsolet oder in folkloristische Nischen abgedrängt. Was heute im Natur- und Landschaftsschutz als schützenswert erachtet wird, ist nach Sieferle „nichts anderes als die dem Untergang entgegentreibende Agrargesellschaft“. Die Idyllen in unseren Köpfen, gibt es, wenn überhaupt, nur noch punktuell.

Mit dem Anspruch, diese punktuellen Idyllen zu retten, haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren Naturschutz und Tourismus mehr und mehr verbündet. Ob in Costa Rica oder am Nationalpark Wattenmeer: Ökotourismus wurde zum Programm bei Regionalerschließung wie Naturerhaltung. Ging es dem klassischen Naturschutz dabei um den Erhalt von Restnatur und um Einrichtung von Schutzgebieten, so ging es den Reisenden um die schöne Destination und den Touristikern um die gewinnträchtige Ressource Natur. Unter dem Einfluss der Ökobewegung entfaltete sich der klassische Naturschutz zu einem Eckpfeiler des touristischen Umwelttrends. Das Mittelgebirge Rhön beispielsweise entwickelt sich seit dem Label Biosphärenreservat, das ihr die Unesco zuerkannte, zu einem gern besuchten Ökojuwel; entlang der schönen Elbe reihen sich wie „Perlen an der Schnur“, so der Chef der deutschen Umwelthilfe Gerhard Thielke, Biotope und geschütze Auenwälder, die jetzt wie ein Nostalgiekick, ein touristisches Highlight wirken.

Inzwischen hat die Kooperation zwischen Umweltschutz und Tourismus neue Qualitäten angenommen. Man knüpft Verbindungen, organisiert das Sponsoring für Projekte mit Entwicklungsperspektive für schöne Landschaftsräume. Und geht zielstrebig dazu über, den Genussaspekt zum Anreiz für nachhaltige Inwertsetzung der Natur zu machen. Ging es zu Beginn der Umweltbewegung um Gegenstrategien zur Vermarktung von Landschaft, also um Verzicht angesichts der Grenzen des Wachstums, so sollen heute ökologisch einwandfreier Wein und das rustikale Bauernbrot als sinnliche Argumente für nachhaltige Projekte dienen. Nicht übers Bewusstsein und die ökologische Moral werden Konsumenten angelockt, sondern über den Bauch.

Die Allianz der Trendsetter aus dem Umweltschutz und der Industrie sind sich da einig. „Weg von der Askese, hin zum Genuss“, schlägt Jürgen Resch von der deutschen Umwelthilfe als zukunftsweisenden Slogan vor. Der Umweltbeauftragte der TUI, Wolf Michael Iwand sagt: „Verzicht ist einfach nicht intelligent genug, um erfolgreich zu sein. Die Menschen wehren sich gegen negative Botschaften! Man muss sie aber gewinnen. Verzicht ist kein Erfolgsfaktor.“ Auch die neue Umweltdachmarke Viabono, die, unterstützt vom Bundesumweltministerium, ökologische Reiseprodukte auszeichnet, setzt in diesem Sinne auf die Verkaufsargumente Natur, Genuss, Sicherheit, Gesundheit.

Die medienwirksamen Provokateure der Ökoszene, die Journalisten Michael Miersch und Dirk Maxeiner gehen sogar so weit, Tourismus zum Naturschützer der Zukunft zu erklären. Nur wo Natur touristisch nützt, so ihr Credo, wird sie auch geschützt. Demzufolge plädieren sie für deren touristische Inwertsetzung. Aufgrund des Eigeninteresses des Tourismus an intakter Natur sehen sie ihn als weltweiten Umweltschützer und vertrauen dabei allein auf die regelnden Kräfte des Marktes. Ökologisches Denken verweisen sie in die Mottenkiste der Geschichte. Dass der touristischen Nutzung häufig ein Prozess der Enteignung und Entrechtung voraus geht, wird selbstverständlich in Kauf genommen.

Marxeiner/Miersch setzen auf den Segen des Tourismus, und der liegt ihrer Ansicht nach im Naturschutz und neuen Verdienstmöglichkeiten. Doch daran darf gezweifelt werden. Marxeiner/Miersch ignorieren nicht nur die Interessenkonflikte bei der Erschließung touristischer Projekte zwischen Investoren und Betroffenen vor Ort, ihnen entgeht auch, dass der Markt nur schützt, was den Verwertungsinteressen aktuell nützt.

Selbst die Welt-Tourismus-Organisation in Madrid hat Zweifel am Versprechen der Nachhaltigkeit: „Viele Regierungen propagieren Tourismus, weil er schnellen Nutzen verspricht, sie wollen Nachhaltigkeit, aber sie vergessen die wesentlichen Aspekte von Nachhaltigkeit: Umwelt- und Sozialverträglichkeit“, sagt Eugenio Yunis, Leiter der Abteilung Nachhaltige Entwicklung bei der Welt-Tourismus-Organisation. Solange die Auswirkungen der Liberalisierungsabkommen im Dienstleistungsbereich GATS auf Natur und Einheimische aus der Debatte ausgeklammert werden, sind die Hoffnungen auf einen insgesamt nachhaltigen Ökotourismus kaum berechtigt.

Gerade die Liberalisierung der Dienstleistungen, die auch vor Ökotourismusprojekten nicht halt macht, verschlechtert die Chancen in dem weltweit zunehmenden Konkurrenzkampf. Auch Jürgen Resch von der deutschen Umwelthilfe weiß, dass im Grunde die Entwicklung nicht besser geworden ist, dass die Umwelt- und Sozialverträglichkeit nur ein schmales Segment im Big Business ausmacht: „Vor allem bei der Erschließung neuer Tourismusdestinationen gibt es an sehr vielen Stellen erst einmal negative Entwicklungen.“

Doch Ökooptimismus liegt im Trend. Der heißt: positiv denken, nur nach vorn, der vollen Vermarktung entgegen. Ganz so, als gäbe es die Dampfwalze Globalisierung nicht samt neuen Freihandelsabkommen und ihrer Gefräßigkeit. Als hätte man längst die substanziellen Nöte der Umwelt im Griff, als hätte der Big Spender Tourismus keine Bringschuld mehr, sondern sie längst abgegolten durch die Devisen, die er rund um den Erdball zirkulieren lässt. Die Plädoyers für die Vermarktung des letzten Löwen erscheinen nur deshalb logisch, weil sie den Gang der Dinge beschreiben. Und das heißt auch: Ökologisches Denken hat keine Lobby mehr.

Während reiche Länder es sich im Prinzip leisten könnten, Prioritäten für die Ökologie zu setzen, stellt sich in den meisten Entwicklungsländern diese Frage noch nicht einmal: Sie sind dafür schlicht zu arm. In diese Lücke springt dann gönnerhaft der Tourismus und gibt sich als Naturretter. Mit geradezu religiösem Vertrauen in die Kräfte des Marktes visioniert auch der Umweltbeauftragte der TUI, Wolf Michael Iwand: „Meine Vision sieht Tourismus als größte Naturschutzorganistion der Welt. Die ganze Welt könnte ein touristisches Paradies sein. Unsere Arbeit wäre es, Ferien zu machen – um damit Natur und Umwelt zu schützen. Das wäre für mich das Schönste.“

Keine Frage: Natur- und Umweltschutz haben vom Tourismus profitiert, und die touristische Welt wird dank Natur- und Umweltschutz schöner, bunter und weiter. Der Siegeszug der Ökonomie schafft weltweit viele neue Inszenierungen, an denen wir uns berauschen können. Der Naturschutz im Tourismus wird zur Regieanweisung für noch bessere Inszenierungen. Angekommen im Garten Eden? Wenn die Landschaft „total“ geworden ist, wie der Historiker Rolf Peter Sieferle sagt, dann ist der touristische Garten Eden eine Strategie, um Naturidyllen zu retten. Sie erhält uns liebgewordene Relikte, schafft heimelige Atmosphären.

Aber trotz seiner weltoffenen Bildersprache betreibt der marktorientierte Schutz keinen Erhalt der Vielfalt, sondern eher das Gegenteil. Er reduziert bestehende Vielfalt auf die Eindimensionalität der Verwertbarkeit. Das ist wie sanftes Artensterben. Das ist wie das moderne Geschäft mit dem blühenden Garten: Spektakuläre Hybriden, wohin das Auge blickt. Und im Schatten neuer Züchtungen und gelungener Ensembles verblasst und vergeht der naturgemäße Wuchs.

Wir brauchen innerhalb dieser zerschnittenen, modernen Kulturlandschaft Enklaven zum Innehalten, sich daheim fühlen, um emotional Kraft zu schöpfen. Wir brauchen aber auch Räume außerhalb der Verwertungszusammenhänge. Wilde Räume, wo sich etwas ungestört entwickeln kann. „Sakrale Räume“ (Naomi Klein), die uns daran erinnern, dass es Freiheit und Muße auch jenseits des Marktes gibt.

Wenn uns dank der Naturschutzarbeit die Elbe wieder zu poetischen Höhenflügen verführt, so ist das eine Strategie der Naturschützer, die wir brauchen. Aber wir brauchen auch Gegenstrategien und Gegenöffentlichkeit von Greenpeace bis hin zu engagierten tourismuskritischen Gruppen, die immer wieder die Finger in die Wunden legen und die Interessenkonflikte benennen. Wir brauchen die Vielfalt – nicht nur ökologisch.

CHRISTEL BURGHOFF, Soziologin und freie Journalistin, lebt in Frankfurt am Main EDITH KRESTA ist Redakteurin für Reise und Interkulturelles in der taz