Radio-Radikal auf allen Kanälen

Die Zensur palästinensischer Medien durch Israel demonstriert die Ohnmacht gegenüber antiisraelischer Propaganda

Es herrscht Funkstille auf UKW 90,7 kHz. „Saut Filistin“, die „Stimme Palästinas“, schweigt. Erstmals in der Geschichte des Radiosenders erklingt nicht einmal für kurze Zeit ein Signal. Die palästinensische Funk- und Fernsehanstalt, mit EU-Geldern finanziert, war zwar schon mehrfach Ziel israelischer Übergriffe, doch immer gelang es, den Sendebetrieb zumindest notdürftig in Gang zu halten.

Als im vergangenen Jahr die Israelis aus Vergeltung für einen Selbstmordanschlag die Sendeanlage für den Mittelwellenempfang demolierten, strahlte man eben über örtliche UKW-Sender weiter das Programm aus. Selbst nach dem brutalen Überfall vom 19. Januar, als im Morgengrauen erstmals Panzer gegen Jassir Arafats Autonomiebehörde anrückten und die Radio- und Fernsehstudios in die Luft sprengten, fand man Wege, sich weiter aus dem Untergrund zu melden. Nun sind die Palästinenser hilflos. Neben der Stille im Äther ist der Zeitungsvertrieb und der lokale Internetzugang im Westjordanland völlig zusammengebrochen. Nur das Telefonnetz wurde von israelischer Seite noch nicht gekappt, die letzte Verbindung zur Außenwelt.

Zwischen Jerusalem und Tel Aviv liegen die palästinensischen Blätter an den Kiosken aus wie eh und je, etwa die Tageszeitung el-Kuds. Neu ist jedoch, dass trotz scharfer Militärzensur das populäre Blatt nicht länger in den Hauptsiedlungsgebieten der Palästinenser vertrieben werden darf. „Ohne Angaben von Gründen“, heißt es auf der Internet-Seite von el-Kuds (www.alquds.com), „können wir unter anderem die Grenze zum Gaza-Streifen nicht mehr passieren“.

Propaganda überall

Diese Form der Medienzensur demonstriert Ohnmacht. Denn Israel ist geografisch ein Kleinstaat, und antiisraelische Propaganda dringt seit Jahren in den letzten Wüstenwinkel. Sowohl die extremistische Hamas-Bewegung wie die Hizbullah-Kämpfer unterhalten eigene Radio- und Fernsehstationen, die von Syrien und vom Libanon aus ihre Propaganda flächendeckend unter die Palästinenser bringen können. Auch ohne Satellitenschüssel ist der Beiruter TV-Kanal Al-Manar (www.almanar.com.lb) in Israel zu empfangen, sind die unzähligen Hamas-Stationen im Mittelwellenbereich auf einem einfachen Radioempfänger kaum zu überhören. Außerdem besitzen viele palästinensische Familien längst eine Schüssel und damit ein Empfangsspektrum vom CNN-ähnlichen arabischsprachigen Fernsehkanal al-Dschasira bis zum heimischen Palestinian Satellite Channel TV.

Die meisten Stationen sind in ihren Sendeinhalten weit radikaler als es Arafats Haussender „Stimme Palästinas“ jemals war. Die arabischsprachigen Radio- und Fernsehprogramme der BBC, der Voice of America oder der Deutschen Welle kommen gegen diese Vielzahl antiisraelischer Propagandasender im Nahen Osten nicht mehr an. Die Stimme Israels hat mit ihren arabischsprachigen Sendungen bei den Palästinensern längst jede Glaubwürdigkeit verloren.

Im Internet ist die palästinensische Presseagentur Wafa (www.wafa.pna.net) kaum mundtot zu bekommen. Fällt die Web-Adresse in Ramallah aus oder wird sie in Gaza-Stadt verboten, erscheint sie mit kurzer Verzögerung wieder im Netz – immer mit brandaktuellen Nachrichten. Die Hamas-freundliche Palästinaseite (www.palestine-info.com) ist nur eine von unzähligen Internet-Adressen, über die Fanatiker alles finden, um sich in ihrem Hass gegen Israel zu bestärken. Aber auch wer nüchtern und in englischer Sprache mehr über die Probleme der Palästinenser wissen möchte, der findet ausreichend Materialien, unter anderem auf der Linkliste die Palästinahilfe (www.palestineaid.org/links/links.html). ROLAND HOFWILER