Angst vorm eigenen Bild

■ Julian Benedikt über „Jazz Seen“: sein nicht eben einfaches Fotografen-Porträt

Das Bild, das wir uns vom Jazz machen, wurde von keinem anderen so beeinflusst wie dem Fotografen William Claxton. Cool, sinnlich und in schwarzweiß sehen wir Chet Baker, Miles Davis und Charlie Parker am liebsten, und so gab es unzählige Epigonen der Claxton'schen Star-Fotografie – doch keiner kam in seinen Momentaufnahmen den MusikerInnen und der „Essenz des Jazz“ so nahe wie er. Der deutsche Filmemacher Julian Benedikt („Blue Note“) drehte ein Filmporträt von ihm: eine merkwürdige Mischung aus Interviews, Fotos, Konzertausschnitten und inszenierten Szenen, die leider sehr gestellt wirken.

taz: Herr Benedikt, warum haben Sie sich zu dieser ungewöhnlichen Form entschieden, die ihnen ja schon viel harsche Kritik eingebracht hat?

Julian Benedikt: Ein Problem bei diesem Film war, dass Claxton sein Leben lang hinter der Kamera gestanden hat und sich vor ihr gar nicht offenbaren wollte. Ich suche immer nach einem Weg, eine Geschichte anders zu erzählen als durch sprechende Köpfe. Und wenn du einen Menschen wie Claxton hast, der eigentlich gar nichts erzählen will und bei den Aufnahmen immer darüber nachdenkt, wie er wohl von der anderen Seite her ausieht, dann ist es sinnvoll, gewisse Schlüsselszenen aus seinem Leben, über die er möglichst gar nicht reden will, als Spielszenen nachzuempfinden.

Es ist ja im Grunde ein unmögliches Projekt: ein Film über einen Menschen, der nicht gefilmt werden will. Wenn man sich mit dem hingesetzt hat, hat er die tollsten Geschichten über Marlene Dietrich, Frank Sinatra, Duke Ellington usw. erzählt, aber wenn du dann mit der Kamera ankommst, ist da nichts mehr.

Warum hat er dann überhaupt zugestimmt, diesen Film mit Ihnen zu machen?

Wir haben bei einem Kaffee in Los Angeles entschieden, etwas zusammen zu machen, und weil er für mich maßgeblich an der Geschichte des Visuellen im Jazz beteiligt ist, wollte ich unbedingt davon erzählen.

Hatten Sie und Ihr Kameramann gerade bei diesem Film Angst, nicht gut genug zu sein, weil Sie ja immerhin einen Meister des Fachs vor der Kamera hatten? Und: Hat der sich auch eingemischt?

Ja, ständig. Er ist zwar auf den ersten Blick zurückhaltend, weiß aber ganz genau, was er haben will. Er hat einen unglaublich hohen Anspruch an seine Fotos, und das hat die Arbeit mit ihm sehr schwierig gemacht. Er hat ständig darauf geachtet, welches Objektiv drauf ist. Wenn der in einen Raum geht, sieht der Sachen, die sonst keiner so sieht – und das kann er nicht abschalten.

Er wollte sehr viel kontrollieren, und das machte die Arbeit sehr schwierig. Aber er selber war auch ängstlich, denn ein Fotograf ist sich ja wie sonst kaum einer bewusst, dass man mit einer Kamera immer die Zeit einfriert, und dieser Film wird so zu seinem Vermächtnis.

Wenn man den Film sieht, hat man eher das Gefühl, es muss Spaß gemacht haben, ihn zu drehen: schöne Reisen nach Californien und Monte Carlo, Dreharbeiten in Villen und teuren Restaurants – das teure Leben halt.

Das habe ich zuerst auch gedacht: Fotograf gleich schöne Mädchen und schnelle Autos, und zum Teil bestätigen sich diese Klischees ja auch, etwa in den Szenen, die wir in Monaco bei Helmut Newton gedreht haben. Aber bei einem Fotografen, der so besessen und perfektionistisch wie Claxton ist, macht das nur einen winzigen Teil seiner Arbeit aus.

Die Bedingungen waren also alles andere als ideal.

Es gibt viele Dinge, die hätte ich mir anders gewünscht, aber ich bin ja froh, dass es diesen Film überhaupt gibt. Ich habe fünf Jahre um das Geld für diesen Film gekämpft, den wollte kein Mensch machen. Und nun kannst du natürlich fragen, warum sucht der sich kein Thema aus, das populärer ist, damit hätte er solche Probleme nicht. Aber mich interessieren Menschen, die nicht im Vordergrund stehen, die dafür aber einen viel größeren Anteil an dem haben, was wir kennen und genießen, als man denkt.

Interview: Wilfried Hippen

„Jazz Seen“ ist täglich um 19.30 Uhr (am Dienstag auch um 22.45 Uhr) in der Schauburg zu sehen