Künast brütet über Gifteiern

Politiker nutzen Skandal bei Ökogeflügel, um Agrarwende von Renate Künast anzugreifen. Bundesanstalt fand angeblich schon im Frühjahr das verbotene Nitrofen, meldete nichts weiter

BERLIN/HANNOVER taz ■ Die Ermittlungen im ersten großen Bioskandal laufen, und täglich kommen neue Details zum Vorschein. Gestern musste die dem Verbraucherministerium unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach eingestehen, man habe bereits im Frühjahr den Stoff Nitrofen in Proben aus einem niedersächsischen Putenmastbetrieb festgestellt, sagte gestern Behördenleiter Karl Honikel. Analysen hätten das Zehnfache des zulässigen Grenzwertes ergeben. Das Bundesverbraucherministerium sei nicht informiert worden, da man von einem „lokalen Fall“ ausgegangen sei.

Der Fall ist jedoch alles andere als lokal. Bisher 120 Ökobetriebe in fünf norddeutschen Bundesländern haben anscheinend Getreide verfüttert, das mit dem Krebs erregenden Nitrofen belastet war. Ein großer Teil der Betriebe ist gesperrt, ihre Produkte dürfen bis auf weiteres nicht mehr ausgeliefert werden.

SPD, FDP und Union nahmen die Steilvorlage dankbar auf und kritisierten gestern Renate Künasts Wende in der Agrarpolitik. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) forderte Künast auf, die Agrarwende zu überdenken. Die einseitige Agrarpolitik zu Gunsten der Ökobetriebe sei nicht gerechtfertigt, sagte Bartels der Neuen Osnabrücker Zeitung. Grünen-Politiker Joschka Fischer wiederum forderte die unionsgeführten Länder auf, im Bundesrat dem Verbraucherinformationsgesetz zuzustimmen. Nach diesem neuen Gesetz hätten Ämter bessere Möglichkeiten, die Öffentlichkeit zu informieren, und müssten bei einem Fehlalarm nicht gleich Schadenersatzforderungen befürchten. Nitrofen ist in Westdeutschland seit 1981, in den neuen Ländern seit 1990 verboten. Trotzdem fanden sich Anfang des Jahres Rückstände in Futtergetreide, Geflügelfleisch und Ökoeiern. Der Ökoverband Naturland wusste seit Anfang Mai davon, machte es jedoch nicht öffentlich. Staatssekretär Alexander Müller (Grüne) vom Verbraucherministerium zitierte für heute die Ökoverbände nach Berlin. REM

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