Auch in NRW fliegen Kugeln

Ein Schießstand im Schulkeller? Kaum hat ein ostdeutscher Schützenverein entsprechende Pläne gestoppt, zeigen taz-Recherchen: unter einer westdeutschen Grundschule wird seit 1988 geballert

aus Köln SEBASTIAN SEDLMAYR

Ein geplanter Schießstand in einer Grundschule in Sachsen-Anhalt hat vergangene Woche für Aufregung gesorgt (taz berichtete). Während der Schützenverein nun von dem Projekt Abstand nahm, ist das Schießen in der Schule im ostwestfälischen Oberbauerschaft seit 1988 Alltag. Hier werden schon die Kleinsten zum Waffentragen animiert – und zwar direkt unterhalb der örtlichen Grundschule mit angegliedertem Schulkindergarten.

Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren lernen unter den Klassenzimmern den Umgang mit Luftgewehren. Wer seine Eignungsprüfung bestanden hat und volljährig ist, kann auch mit der eigenen – scharfen – Waffe in den Schießstand. Der grüne Detmolder Regierungspräsident Andreas Wiebe, dem die Schulaufsicht im Bezirk obliegt, war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Norbert Müller vom Landesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erklärte auf taz-Anfrage: „Schießstände gehören prinzipiell nicht in die Schule.“ Allerdings müsse man sich den jeweiligen Fall anschauen. Auch Sportschützen könnten durchaus gute Jugendarbeit leisten.

Der Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Hüllhorst will noch keine Probleme mit dem Schießstand in der Schule bemerkt haben. Es gebe eine „totale räumliche Trennung“ durch einen separaten Eingang, so Wilhelm Henke. Die Räume würden nur abends und an Wochenenden genutzt, sodass die Kleinkinder und Grundschüler unbehelligt blieben. Die Leiterin der Grundschule will sich zu dem Schützentraining nicht äußern. Mit der Organisation habe die Schule nichts zu tun. Auch die Flugzettel, die vor den Ferien auf die anstehende Einführung in den Waffengebrauch hinweisen, interessieren die Schulleiterin wenig: „Ich kann mich nicht darum kümmern, was die Sportvereine anbieten.“ In der Schule selbst würden die Werbezettel nicht verteilt. Das ist wohl auch nicht nötig. In dem 3.000-Einwohner-Ort kennt den Schießstand jedes Kind.

Der Jugendleiter bei den Oberbauerschafter Sportschützen bestätigt, dass die Gemeinde Hüllhorst in ihrer Broschüre „Ferienspiele“ das Probeschießen während der schulfreien Zeit ankündigt. An einem Freitag in den Ferien dürften die Jugendlichen „an einem gemütlichen Nachmittag“ zwei Stunden lang ihr Waffengeschick testen, so Dieter Niedringhaus. Unter 12 Jahren sei da „kaum einer“.

Die Nachwuchsarbeit beschränkt sich nicht auf den Schießstand. Die Kleinen werden rundum versorgt: Der Jugendleiter unternimmt Spaziergänge und geht mit seinen Schützlingen nach den Wettkämpfen gerne mal zu McDonald’s. Nachwuchssorgen hat Niedringhaus nicht. Das Interesse sei „nach wie vor vollkommen ausreichend“, so der Jugendleiter.