Eine Stasizentrale für die USA

Präsident Bush plant Superministerium für nationale Sicherheit: 170.000 Mitarbeiter mit Milliardenetat, zuständig für Terror, Zivilschutz, Verkehrssicherheit, Grenzen, Einwanderung. Das soll die USA für den „ersten Krieg im 21. Jahrhundert“ rüsten

aus Washington MICHAEL STRECK

Die Überraschung ist US-Präsident George W. Bush mehr als gelungen. Das politische Establishment und die Medien in Washington verfolgen gespannt die täglichen Enthüllungen über Pannen im FBI. Doch dann zog Bush die Aufmerksamkeit auf sich, als klar wurde, dass er in einer Rede an die Nation eine massive Regierungsreform ankündigen würde. In einer Fernsehansprache zur besten Sendezeit kündigte Bush schließlich an, bis Ende des Jahres ein neues Superministerium für nationale Sicherheit einrichten zu wollen.

Der Präsident beschwor in seiner Rede den „titanischen Kampf“ gegen den Terrorismus und den „unerschütterlichen Marsch“ auf dem Weg zu einer sicheren Nation. Er pries seine Vorstellungen als größte Regierungsumbildung seit 1947. Damals hatte Präsident Harry S. Truman Pentagon und Geheimdienste auf den Kalten Krieg und den Feind Kommunismus zugeschnitten. Nun müsse das Land für den „ersten Krieg im 21. Jahrhundert“ gegen den Terror gerüstet werden.

Die neue Mammutbehörde, mit 170.000 Mitarbeitern und einem Etat von 37 Milliarden Dollar, würde die Verantwortung für den Grenz- und Katastrophenschutz, die Transportsicherheit und die Abwehr von Terrorangriffen mit chemischen, biologischen und nuklearen Waffen übernehmen. Sie würde 22 Regierungsstellen fusionieren und auch die Einwanderungskontrolle übernehmen.

Als Chef des neuen Ministeriums wird Tom Ridge gehandelt. Der Direktor der unmittelbar nach dem 11. September geschaffenen Heimatschutzbehörde untersteht direkt dem Präsidenten und entzieht sich damit auch einer Kontrolle durch den Kongress. Die Behörde stand jedoch von Anfang an in der Kritik, sie sei überfordert und ihr fehle die nötige Kompetenz. So überrascht es, dass sie in der bisherigen Form weiter bestehen bleiben soll. Welche Aufgaben sie in Zukunft übernehmen soll, bleibt vorerst unklar.

Der Zeitpunkt für die Ankündigung war geschickt gewählt. Der Kongress hatte diese Woche langwierige Untersuchungen über das Versagen von Geheimdiensten und der Bundespolizei FBI im Vorfeld der Terroranschläge aufgenommen. Immer wieder sah sich das Weiße Haus in den vergangenen Wochen gezwungen zu betonen, dass die Anschläge vom 11. September nicht zu verhindern gewesen seien. Bush geriet zunehmend in die Defensive.

Nun präsentiert er sich wieder als Macher. Mit einem Paukenschlag vor der parlamentarischen Sommerpause ruft Bush sich beim Wahlvolk in Erinnerung. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass seine Reformpläne die politische Debatte in Washington bis zu den Kongresswahlen im Herbst bestimmen.

Doch der Kongress wird die schwiergste Hürde für Bushs Pläne sein. Nicht wenige Senatoren und Abgeordnete fühlen sich überrumpelt. Der „Bush-Style“, im kleinen eingeweihten Kreis von Vertrauten Pläne zu entwerfen, ohne sogar Regierungsmitglieder zu konsultieren, missfällt vielen Kongressabgeordneten. Außerdem hatte Bush keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Mühen des Untersuchungsausschusses für Zeitverschwendung hält, die die Geheimdienste nur von ihrer Arbeit abhalte.

Zweck der Anhörungen im Kongress soll aber gerade sein, die Pannen innerhalb von CIA und FBI und die mangelnde Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden im Vorfeld des 11. September zu analysieren, das blockierende Kompetenzgerangel zwischen beiden Agenturen zu beenden und geeignete Verbesserungsvorschläge zu präsentieren. Umso erstaunlicher, dass die angekündigten Reformen CIA und FBI kaum betreffen werden. Schließlich waren in den vergangenen Wochen fast täglich neue Versäumnisse beider Behörden bekannt geworden. Obwohl die Geheimdienste die Terrororganisation al-Qaida nicht nur abgehört, sondern auch mit Agenten unterwandern hatten, konnten sie das Geheimnis vom Angriff am 11. September nicht entschlüsseln.

Nicht nur der Kongress könnte Bush das Leben noch schwer machen. Auch wenn die Reaktionen unter Demokraten und Republikanern überwiegend wohlwollend waren, sind es nicht zuletzt seine eigenen konservativen Parteigenossen, die sich mit dem Gedanken nach mehr Staat und einer aufgeblähten Bürokratie nur schwer anfreunden können. Dennoch wird das Ministerium kommen. Wer will sich im Krieg an der Heimantfront schon dem Vorwurf mangelnden Patriotismus aussetzen? kommentar SEITE 12