„Total überreagiert“

Am Tag nach der großen Bildungsdemo: Zeuginnen sind entsetzt über Polizeieinsatz gegen 15-Jährigen und berichten von Drohungen der Beamten

Einen Tag nach der großen Bildungsdemonstration haben sich gestern zahlreiche Zeugen gemeldet, die beobachtet haben, wie Polizisten einen 15-jährigen Jungen zu Boden warfen und verhafteten. Über die Darstellung der Polizei, der Junge sei betrunken, gewalttätig und nur mit vier Polizisten zu bändigen gewesen, schütteln sie den Kopf. Ebenso wie über die polizeiliche Wahrnehmung, sie selbst hätten in wilder Solidarisierung Flaschen und Farbeier geworfen und Beamte bespuckt.

Die Larsens beispielsweise, die mit der ganzen Familie auf der Demo waren, haben es eher so erlebt: „Auf der Mönckebergstraße sahen wir, dass ein Polizist und einige Jugendliche eine Diskussion hatten“, erzählt Frieda Larsen (69), die für ihre 12-jährige Enkelin Nathalie demonstriert hat. Es habe wohl Streit gegeben, den die Jugendlichen aber ohne Polizei beilegen wollten. „Wir haben nicht gehört, was der Junge gesagt hat, aber plötzlich drehte der Polizist ihm den Arm auf den Rücken und drückte ihn gegen den Polizeiwagen.“ Als sie die Beamten aufforderte, „das Kind in Ruhe“ zu lassen, habe ein anderer Polizist sie gegen den Wagen gedrückt und gesagt: „Wenn Sie noch mal gegen das Einsatzfahrzeug kommen, ziehe ich ihnen den Knüppel über den Kopf.“

Derweil hätten vier bis fünf Beamte den Jungen zu Boden geworfen und ihn mit den Knien dort festgehalten. Bei dem Versuch, ihm Handschellen anzulegen, habe er sich gewehrt, sei hochgekommen, habe um sich getreten und sei wieder auf den Asphalt geworfen worden, „ein Polizist hat ihm ein Knie auf den Kopf und einen Schlagstock auf den Hals gedrückt“, sagt Mutter Kristina Larsen, die von einer Polizistin fast zu Boden gerissen wurde. Natürlich hätten viele Passanten geschrien, man solle den Jungen in Ruhe lassen. Aber Farbbeutel geschmissen und gespuckt? „Schwachsinn.“ Nathalie Larsen ist ratlos: „In der Schule lernen wir, dass die Polizei unser Freund ist.“

Auch die Studentin Franziska Weber wurde Zeugin der ihrer Meinung nach „völlig überzogenen Reaktion der Polizisten“. „Der hat doch nichts getan, habe ich gerufen und wurde weggebufft“, erzählt sie. Sie solle froh sein, habe ein Polizist sie beschieden, das seien doch die Jugendlichen, die sonst ihr Handy klauten. Als die Studentin ihren Unglauben darüber ausdrückte, „dass Sie einen Minderjährigen abtransportieren“, habe ein Polizist ihr Luftküsse zugeworfen.

Die Lehrerin Eva-Maria Schulte war mit ihrer Klasse auf dem Weg zum Bahnhof, als ihr zwei Jugendliche entgegenkamen. „Helfen Sie uns, die haben unseren Freund mitgenommen“, hätten sie gerufen und ihr eine Geschichte erzählt, die sich mit der der anderen Zeugen decke.

Der GAL-Abgeordnete Manfred Mahr hat zu den Vorgängen eine kleine Anfrage stellt. san